Ich kannte mal eine Frau, die zog furchtbar gerne um


Und sie tat es auch ziemlich oft. Richtete eine Wohnung oder ein Haus in rasender Eile perfekt ein, schaute sich um, fand es schon wieder langweilig, verkaufte möglichst die gesamte Einrichtung und suchte die nächste Bleibe. So was gibt es.

Also was mich angeht, ich brauch nicht so viele Umzüge. Der letzte war vor noch nicht mal zwei Jahren. Und jetzt dieser hier, der irgendwie kein Ende nimmt.

Nette Leute sagen zu uns: „Na, jetzt habt ihr alles am Platze, was? Wie fühlt ihr euch denn so in  eurer neuen Wohnung?“

Frag mal Ernst. Der sitzt auf den gesammelten Stoffen für Gardinen und hat Bauchweh. Er weiß immer noch nicht genau, wo in Zukunft sein Platz sein wird. Immerhin kann er von da aus, wo er jetzt sitzt, das schöne große Bild von den beiden kleinen Mädchen sehen, die vielleicht Zwillinge sind. Aber eventuell auch nicht.

Der Löwe und ich, wir fragen uns nach wie vor: „Sag mal, hast du mein … gesehen? Gestern war es doch noch in der Kiste in dieser Ecke? Wo ist die Kiste geblieben? Und was ist aus der Ecke geworden?“

Nachts liegen wir auf einem Wanderbett. Also, ein richtiges bauen wir uns noch, und bis dahin Matratzen auf dem Boden. Die reagieren sehr lebhaft auf Bewegungen oder heftiges Atmen. Wenn man frisch verheiratet ist, lässt sich heftiges Atmen manchmal schwer vermeiden. Dann entsteht ein gruseliger Abgrund zwischen den Matratzen und sie rutschen Richtung Tür. Ich möchte gern ein Bett, das am Platze bleibt!

Ich tu ja nicht viel. Ich kaufe ein und koche und halte kluge Reden, wasche Berge von Wäsche und pflanze was im kleinen Garten an.

Aber der Löwe! Macht nicht nur seine drei Jobs wie gewohnt, sondern brachte seine Sachen aus der Eifel rauf, indem er selbst den LKW fuhr, und zwar nachts, wegen Zeitmangel und wenig Stau. Baut alles Mögliche zusammen oder auseinander. Schleppt Möbel –  selten mal unterstützt von einem sehr guten Freund. (Gott segne ihn).

Malt Wände.

Ich fand, die Wände brauchen das nicht. Sind nicht gelblich. Sind sie etwa gelblich? Nein. Der Löwe malt. In Weiß. Und wer hatte wieder mal Recht? Eben.

Dazu die ganzen ‚besonderen Ereignisse‘, die man nicht einplanen kann. Mein Sohn sagt, die eignen sich wunderbar dafür, Jahre später drüber zu lachen.

Beispielsweise unterhielten wir uns gerade angeregt über ein philosophisches Thema. Der Löwe lehnte am Türrahmen, ich wollte in aller Unschuld eine Kirsche abspülen und drehte sachte am Wasserhahn. Innerhalb einer halben Sekunde fiel der Hahn mit trockenem Plop ins Waschbecken, spuckte noch ein kleines Teilchen hinterher – Pling – und beschoss mit rundem Strahl zielsicher den Löwen.

Ich will nichts gegen die Vormieter sagen, das gehört sich nicht, aber sie hatten eine sehr sorglose Art, mit Materie umzugehen.

Wir fuhren zum Baumarkt und der Löwe verbrachte den Nachmittag auf dem Rücken unter der Küchenspüle, fluchte auf Eiflerisch und Hunsrückisch und manchmal auf Rheinländisch, während ihm kleine Einzelteile in die Augen fielen. Da konnte ich mich auch nützlich machen wie eine

 OP-Schwester, indem ich ‚jetzt mal den zweitkleinsten Schaubenschlüssel‘ zureichte.

Aber natürlich ist der neue Wasserhahn viel schöner und kooperativer als der alte. Und das ist ja, alles in allem, sehr erfreulich …


2 Antworten zu “Ich kannte mal eine Frau, die zog furchtbar gerne um”

  1. Liebe Dagmar, deine Notizen aus der höchst persönlichen Provinz oder auch „Aufbau West“ lese ich am allerliebsten. Herrlich. Mein Wasserhahn ist übrigens derart verkalkt, dass er kaum noch zu drehen ist. Sommerliche Grüße! Angela

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