Geschwisterliebe


Manchmal möchte jemand zum Ausdruck bringen, dass seine Zuneigung für einen anderen Menschen das normale Maß weit überschreitet. Dann sagt er: „Das ist nicht nur ein Freund. Ich liebe ihn wie einen Bruder!“ Oder eben wie eine Schwester.

Mir als Einzelkind steht da natürlich kein Urteil zu. Aber ich hatte in meinem Leben Einblick in manche Geschwisterkonstellationen und – Gott steh mir bei, das ist nicht immer die reine Liebe gewesen.

Einzelkinder können bekanntlich nicht teilen. Ich durfte allerdings eine große, glückliche Familie beobachten, in der Schlachten tobten um das letzte Stück Braten, und das, obwohl niemand hungerte, rein aus Prinzip.

Ich kannte Schwestern, die sich in endlosen Wortgefechten ergingen, begünstigt durch genaue Kenntnisse (und, gruseligerweise, mit völlig identischen Stimmen! Es klang, als läge ein Mensch mit sich selber im Streit). Die sich mit feinem Skalpell gegenseitig in die Seele schnitten, immer genau dort, wo der Nerv saß. In ihrer Kindheit hatte die eine der anderen einen Wecker ins Gesicht gedroschen, die Narbe blieb lebenslang.

Ich erlebte zwei Brüder, prachtvolle Kerle, ich mochte beide gern. Die hassten sich mörderisch, weshalb auch immer. Ich glaube, es war die alte Kain-und-Abel-Geschichte: der Vater zog den einen vor. Eines Tages traten beide zum Final Showdown an im abgeschlossenen Badezimmer, die Eltern durften sich hinterher ein völlig neues Bad anschaffen und dem einen jungen Mann fehlten zwei Vorderzähne.

Vermutlich ist es mit der Liebe unter Geschwistern wie mit allem anderen im Leben: Es muss Glück dabei sein…


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