Ich höre immer mal wieder von Schreibblockaden. Was wohl bedeuten soll, es fehlen die Ideen? Aber vielleicht fehlt auch einfach die Lust an der Ausführung. Was Letzteres angeht, so war ich lange Zeit Journalistin. Ich war sogar Redakteuerin und hab einige Jahre in Redaktionen gesessen. Das ist eine Situation, in der man möglichst keine Schreibblockade haben sollte, falls man den Job behalten möchte.
Nicht-schreibende Leute (aber davon gibt es immer weniger) meinen normalerweise, das Schwierigste am Schreiben sei, Einfälle zu haben. Oft bieten sie dann hilfreich die eigene Lebensgeschichte an oder die von Freunden oder irgendein Ereignis, das sie selber aufschreiben würden, „wenn sie nur die Zeit hätten“. Dann erwarten sie, dass der Autor sich halbtot freut, weil ihm endlich eine Idee begegnet.
Ich möchte noch einmal betonen, dass ich nur für mich selber spreche. Bei anderen Autoren mag das ja alles völlig anders sein. Was mich angeht, so bin ich der Ansicht, es gibt überhaupt nichts Einfacheres, als Ideen zu haben. Die Welt quillt über davon. Soviel Ideen, wie ein Mensch am Tag bekommt, kann er nie verarbeiten.
Trotzdem horten manche Schriftsteller einen Stoff wie einen kostbaren, einmaligen Schatz und fürchten ständig, er könne ihnen entwendet werden. Sie trauen sich kaum, ihn an einen Verlag zu schicken, weil: „Nachher klauen die mir einfach die Idee und machen selbst was draus!“
Das ist, als würde man in einem Schneesturm eine Flocke fangen, in einem Einmachglas einsperren und in den Tiefkühler stecken. Tatsächlich, jede Schneeflocke ist ganz einmalig. Und trotzdem ähneln sie sich.
Es kommt drauf an, was man daraus macht, einen Schneeball oder einen Schneemann, einen Iglu oder einen Smoothie. Und wie das Ergebnis dann aussieht. Ganz besonders schön oder ganz besonders originell oder irgendwie gruselig.
Außerdem gibt es praktisch keine wirklich neuen Ideen, nur Variationen. Seit den Dreißigerjahren erzählt man sich in Hollywood die alte Pointe, dass ein aufgeregter Drehbuchautor zum Produzenten stürmt und ankündigt, er habe eine phantastische Idee: „Boy meets Girl!“ Das ergibt ja auch Tausende von Filmen und wird es immer wieder geben.
An einem beliebigen Wochentag lausche ich Radionachrichten, telefoniere mit Freunden, lese dies und das im Internet, höre beim Einkaufen Gesprächsfetzen wildfremder Leute, schmökere in einem alten Buch, unterhalte mich mit meinem Liebsten, der erzählt, was ihm so begegnet ist im Job oder im Bus, erinnere mich an irgendeine Zeit meines Lebens und sehe vielleicht abends die Folge einer Serie oder einen alten Tatort.
Wenn ich nach so einem Tag ins Bett gehe, habe ich Material für zwei Romane, sechs Kurzgeschichten und mehrere Blogtexte. Ich hab übrigens aufgehört, alles zu notieren. Gerade das Aufgeschriebene kommt selten als Schöpfung zur Welt. Ihm fehlt die Spontanität, oft auch der aktuelle Bezug.
Da ich seit einer Weile ein Schneider bin – oder, politisch korrekt, eine Schneiderin – kann ich gut diesen Vergleich benutzen: Stoffe jeder Art gibt es im Überfluss. Das Kunststück ist, etwas daraus zu schneidern …
Mit diesem Bild werden wir uns in den nächsten Tagen dem Entwurf der Kreation widmen!
Glücksfaktor: eine Welt, die praktisch nur aus spannenden, interessanten, bewegenden Ideen besteht!