Bevor ich schreiben konnte, habe ich erzählt.
Als ich vier war, brachte ich mir selbst lesen bei. Ich hatte ein gutes Gedächtnis und wusste viele Geschichten auswendig, die mir meine Eltern immer wieder vorgelesen hatten. Ich schaute mir also genau die einzelnen Worte an. Das erste Wort, das ich lesen konnte, war Garten, denn es kam sowohl im ersten als auch im zweiten Satz der Geschichte vor. (So ähnlich dürfte sich Jean-Francoise Champollion gefühlt haben, als er die Hieroglyphen auf dem Stein von Rosette entzifferte, weil mehrmals der Name des Pharao Ptolemaios darin vorkam. Wenn man so ein Schlüsselwort gefunden hat, ist der Rest keine große Kunst.)
Schreiben konnte ich nach einer Weile auch – aber nur Druckschrift. Schreibschrift lernte ich erst in der Schule.
Nachdem ich in jeder Weise schreiben gelernt hatte, legte ich richtig los. Ich schrieb manchmal Aufsätze über zwei Hefte in einer Doppelstunde. Ich schrieb Tagebuch und Briefe – im Internat schrieb ich auch Briefe für Mitschülerinnen, an Eltern oder ihre Freunde, möglichst in ihrem eigenen Stil. Gegen Bezahlung, versteht sich – Übernahme des Küchendienstes oder so was.
Für meine Freundin verfasste ich grundsätzlich den Aufsatz, ganz anders als meinen eigenen. Sie brauchte ihn nur abzuschreiben. Dafür machte sie meine Mathe-Aufgaben, denn in der Richtung fehlt mir ein Stück Gehirn.
In der Schule interessierten mich vor allem die verwandten Fächer: Geschichte und Religion, beides voller Erzählungen, voller Anekdoten, voller Schicksal.
Wenn man es nicht mein Beruf wäre, würde ich dafür bezahlen, schreiben zu dürfen. Wenn es verboten wäre, würde ich es heimlich tun.
Im letzten Sommer sagte jemand zu mir: „Schreib einen Blog. Jeden Tag einen Text!“
Ich fragte: „Worüber denn?“
Die Antwort war: „Über alles. Was immer dir einfällt.“
Am 2. August 2016 fing ich an. Heute hat der Blog Geburtstag.
Dies müsste mehr oder weniger der 370. Text sein – denn ganz manchmal waren es zwei an einem Tag.
Ich liebe es, Texte für meinen Blog zu schreiben.
Und ich liebe meine Leser und ihre oft so netten Kommentare…