11. Juli 1893: Der Geburtstag der Zuchtperle


Perlen sind aus Schmerzen gemacht. Ein Fremdkörper oder Parasit drangsaliert das empfindliche Fleisch der Auster, und sie ummantelt ihn mit Perlmutt, Schicht um Schicht, bis er glatt und rund wird und nicht mehr weh tut. Zum Schluss ist aus der Verletzung etwas Kostbares, Wunderschönes entstanden.

1893 hatte ein Japaner namens Kokichi Mikimoto sich ein Verfahren ausgedacht, um Muscheln, die das eigentlich nicht von sich aus im Sinn haben, zum Perlenanfertigen zu bewegen.

Herr Mikimoto war ein mürrisch blickender Herr, was eventuell daher kam, dass er als Kind eines armen Suppenkochs begann und die Schule sehr früh verlassen musste, um seiner Familie finanziell beizustehen.

Mit einem Darlehen und viel Beharrlichkeit arbeitete er zwölf Jahre lang an seiner Erfindung, bis endlich perfekt runde Perlen entstanden, die von den ’natürlichen‘ optisch nicht zu unterscheiden waren. Es ist anzunehmen, dass Herr Mikimoto von da ab seine Familie finanziell besser unterstützen konnte…

Nur, weil sie angefertigt werden können, werden Zuchtperlen ihrem Käufer durchaus nicht hinterhergeworfen. 

Die kostbarsten Perlen jedoch sind nach wie vor die Zufallsfunde.

Über Königin Kleopatra wird erzählt, sie hätte zwei der größten Perlen der Welt besessen, als Ohrringe verarbeitet.

Um Marcus Antonius zu imponieren, nahm sie bei einem kleinen intimen Dinner mit ihm eine aus dem Ohr und versenkte sie in einem Pokal mit Essig – in dem die Perle sich auflöste. Anschließend leerte die ägyptische Königin den Pokal (inzwischen Inhaltswert 10 Millionen Sesterzen) – gluck-gluck-gluck. Das sind so Leute, denen es einen Kick verpasst, wenn sie sich ‚was leisten‘ können. Mir fehlt da ein Sinn, aber Marcus Antonius war genau so hingerissen und beeindruckt von dieser hedonistischen Geste, wie er sein sollte. (Soviel ich weiß, wollte Cleopatra anschließend ihren zweiten Ohrring schlürfen, aber bevor diese Perle auch noch aufgelöst werden konnte, schritt irgendjemand mit gesundem Menschenverstand ein und rettete das Vermögen.)

Die berühmteste Perle der Welt heißt La Peregrina, eine birnenförmige Schönheit. Philipp II. von Spanien schenkte sie im 16. Jahrhundert seiner lieblichen Braut, Königin Mary von England. (Das war ‚Bloody Mary‘, die älteste Tochter von Heinrich dem Achten, immer auf der Jagd nach Protestanten. Auf dem Porträt baumelt ihr La Peregrina am Busen.)

Eine Reihe gekrönter Häupter besaß im Lauf der Zeit diese Perle, zum Beispiel Napoleon III. und Queen Victoria.

Als sie 1969 in London bei Sotheby’s versteigert wurde, erwarb sie ausgerechnet Richard Burton für sein Weib Elizabeth Taylor. Vielleicht, weil sie sich schließlich bei den Dreharbeiten zu ‚Cleopatra‘ kennengelernt hatten, da spielte sie die ägyptische Königin und er Marcus Antonius.

Der Filmstar erhielt La Peregrina zum Geburtstag und bekam es fertig, sie innerhalb  von wenigen Stunden zu verlieren. (Was das Auflösen in Essig erspart hätte.) Also watschelten sie, ihr Mann und die Geburtstagsgäste barfuß durch die Wohnung, um das Stück wiederzufinden.

Elizabeth selbst konnte es dann aus dem Schnäuzchen eines ihrer kleinen Hunde retten, der darauf herumgekaut hatte. An dem Juwel war kein Kratzer zu entdecken. Perlen sind hart im Nehmen, solange man ihnen nicht mit Essig kommt. 

Nach dem Tod der Schauspielerin wurde das Collier, in dem sich La Peregina befindet, 2011 wieder  versteigert und brachte zehneinhalb Millionen Dollar ein.

Glücksfaktor, meiner Meinung nach: Wenn man es nicht nötig hat, sich ‚was leisten‘ zu können …

 

 

 

 


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