30. Juli: National Paperback Book Day!


Die Amerikaner feiern heute (sofern sie darüber informiert sind) Taschenbuch-Tag.

Taschenbücher gibt es im wesentlichen seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts – da hießen sie oft noch ‚Almanach‘, enthielten einen Kalender, der ihnen tieferen Sinn verlieh, sowie kurze Beiträge wie Kochrezepte oder Haushaltstipps – weshalb sie überwiegend für Frauenzimmer gedacht waren.

In der guten alten Zeit las man nur gebundene Bücher mit festen Deckeln, manchmal aus dickem (meist Schweins-)Leder und schnörkeligst goldgeprägt: schwere Ware. Man konnte notfalls einen Einbrecher damit erschlagen, sofern man die Kunst derart entweihen wollte und nichts anderes zur Hand war.

Tatsächlich gab es im 19. Jahrhundert die weitverbreitete Sitte, lesend durch die Natur zu wandern. Nicht zu schnell, versteht sich, und möglichst auf Wegen, die nicht zu uneben und nicht zu unbekannt waren. Trotzdem dürfte der eine oder der andere Leser bei dieser sinnvollen Verbindung von frischer Luft und konsumierter Kultur ganz hübsch hingeknallt sein. Und wenn man sich dann noch vorstellt, was für Brocken da herumgeschleppt wurden! Das gab Unterarm- und Oberschenkelmuskeln.

(Ich hab die Sache mit den laufenden Lesern kürzlich einer Freundin erzählt, die sich kaputtlachen wollte und es mir kaum glaubte – bevor sie sich verabschiedete und, auf das Handy starrend, ihrer Wege ging.)

Mit der Erfindung der nicht mehr gebundenen sondern geklebten, mit dünnen Pappdeckeln versehenen Taschenbücher hätte die damalige Leserschaft größere Strecken mit weniger Anstrengung zurücklegen können. Doch inzwischen las der Mensch nur noch im Sitzen, Liegen oder notfalls im Stehen, nicht mehr beim Wandern. Was das angeht, verfehlte das Paperback den richtigen Zeitpunkt.

Seine Erfindung verdankt es eigentlich der Idee, dass auch ärmere Bildungsbeflissene sich ein Buch – oder gar mehrere – leisten können. Taschenbücher sind in der Herstellung ungleich billiger. Die Seiten kleben nebeneinander am Buchrücken, für den Umschlag muss kein Schwein mehr geschlachtet werden, das Papier geniert sich nicht, holzhaltiger zu sein. Zudem braucht man für ein Taschenbuch insgesamt weniger Material, weil die Schrift kleiner und enger gesetzt wird. Reclam – oder Rowohlt mit seiner rororo-Reihe – produzierten feine kleine Bücher, tatsächlich in die Tasche zu stecken, So konnte man auf einem einzigen Bücherregal Weltliteratur stapeln, die früher eine Bibliothek gefüllt hatte.

Und doch wird das Taschenbuch inzwischen übertroffen vom E-Book, einem einzigen, leichten Ding, auf dem man mehrere Tausend Bücher speichern und mit in den Urlaub nehmen kann. Noch wird ein E-Book schief angeschaut (das ging dem Taschenbuch ursprünglich genau so). Kulturell hochentwickelte und sensible Menschen erklären gern, sie müssten ein Buch doch anfassen können – oder das Papier riechen … Ganz nebenbei kann man, falls man es verschenkt, auch keine Widmung mehr auf den Einband schreiben. Lesezeichen haben ihren Zweck verloren, und einen Daumen zwischen die Seiten zu klemmen ist ebenfalls nicht mehr möglich.

Richtige Bücher wird es trotzdem noch lange geben, sowohl Hardcover als auch Taschenbücher, die Paperbacks. Übrigens eignen sich letztere am besten für Menschen, die Filme nur einmal sehen und Bücher nur einmal lesen. Ich weiß, wovon ich rede, denn ich gehöre zur anderen Fraktion: Ich lese Bücher, die mir gut gefallen, gerne fünf, zehn, zwanzigmal. Deshalb besitze ich einige Taschenbücher, die zwischen ihren dünnen Pappdeckeln ein Viertelpfund loses Druckzeug enthalten, das oben und unten schief rauszipfelt und mühsam an der Seitenzahl identifiziert werden muss …

Glücksfaktor: Dass es überhaupt so etwas Herrliches wie Bücher gibt!


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