Aus diesem Anlass mal etwas aus meiner Hamburg-Geschichte:
Es gab ein Produkt, für das Hamburg im späten Mittelalter große Berühmtheit erlangte und über dessen Handel es für 150 Jahre ein Monopol besaß: Bier!
Hamburger Bier, eine begehrte, umschwärmte, bedichtete Köstlichkeit.
Jedes brave Kaufmannskind konnte den Spruch aufsagen:
Lübeck ein Kaufhaus,
Lüneburg ein Salzhaus
Danzig ein Kornhaus
Köln ein Weinhaus
Hamburg ein Brauhaus
Um 1400 existierten fast 500 Brauereien in der Stadt! Allerdings erließ der Rat 1411 ein Gesetz, das den Brauern verbot, Wasser aus den Fleeten in Zubern herbeizuschaffen, eine Art erstes Reinheitsgebot. Für ungefähr 150 Brauer bedeutete das, sie mussten sich nach einer anderen Beschäftigung umsehen: Im größten Teil des Kirchspiels St. Jacobi war Sense mit der Brauerei. In den Stadtteilen, die direkt am Wasser lagen, wie St. Nikolai und St. Katharinen, wurde umso mehr reingehauen.
Zeitweise bestanden über 60 Prozent des Hamburger Außenhandels aus Bierexport.
Abnehmer waren zuerst und vor allem die Niederlande. Da hatte man, bevor Hamburg sich auf das Braugeschäft warf, vor allem Bremer Bier getrunken. Nachdem Bremen von Hamburg dort sehr schnell vom Biermarkt verdrängt wurde, reagierte es krötig, wandte sich hilfesuchend an Graf Wilhelm von Holland und Friesland und brachte ihn dazu, die Einfuhr des Elbebiers zu untersagen. Darauf entstand unter den durstigen Untertanen des Grafen ein solches Getöse, dass er sein Einfuhrverbot nach knapp zwei Jahren entnervt durch einen Bierzoll ersetzte.
Und 1416 zettelten ebenso die Danziger Brauer einen Aufstand an gegen die Einfuhr des Hamburger Biers, von dem sie überhaupt nichts hielten, weil es viel zu gut schmeckte und auch sonst nichts taugte.
Im Gegensatz dazu war der schwedische Erzbischof und Gelehrte Olaus Magnus überzeugt davon, Hamburger Bier mache unfruchtbare Weiber fruchtbar. Ein Hopfenfreund namens Johann Frederus Pommeranus rühmte es 1537:
So angenehm ist der Geschmack,
daß er wohl göttlichem Nektare vergleichbar;
Und nicht weniger nährt als Bacchus himmlische Gaben.
Mit ausgezeichneten Kräften
begabt es die Körper der Jugend,
denn hier sind mit Hercules Kraft
die Männer gerüstet,
strahlend von gesunder und stattlicher Farbe,
was Dir, o du lieblicher Trank,
ein jeglicher zu verdanken bekennt.
Und andere Konsumenten und Sachverständige bescheinigtem dem Stoff, er besitze
… eine sonderliche Kraft, wegen dessen Hopfens, zu heilen, es wärmet und nähret die Nerven, machet eine gute Farbe wohl im Gesichte und steigert die männliche Potenz.
Jau. Prost.

Hamburger Bier wirkte also unbestreitbar sexy und gesundheitsfördernd. Aber es war viel mehr als das, nämlich ein Grundnahrungsmittel, vor allem für Städter.
Der durchschnittliche Bürger, Männchen oder Weibchen, alt oder minderjährig, arm oder reich, verbrauchte damals zehn bis fünfzehn Liter Bier pro Tag.
Sind demnach unsere Ahnen schlingernd und mit ständig törichtem Lächeln durch die Stadtmauern geschwankt? Durchaus nicht. Mittelalterliches Bier besaß eine ganz andere Natur als jenes, das wir jetzt kennen. Zunächst mal enthielt es bedeutend weniger Alkohol, denn die damals übliche Art des Brauens erzielte nur einen geringen Gärungsgrad.
Es bestand ursprünglich aus Getreide, Malz, Wasser, Gewürzen sowie unterschiedlichen Kräutern und Eichen- oder Buchenrinde: eher eine Art prickelnder Kräuterbrause.
Hopfen wurde erst später hinzugefügt und das war übrigens eins der Geheimnisse des Hamburger Biers. Außerdem wurde es auch höher vergoren – dafür ließ man einige Kräuter weg. Im Übrigen machten Hamburger Brauer verständlicherweise um ihr Spezialrezept ein ähnliches Getue wie Coca Cola um das ihre, mit heiligen Schwüren und schrecklichen Strafen für den, der es verriet.

Immer noch, auch hoch vergoren, blieb das Bier vergleichsweise harmlos. Um sich daran richtig zu berauschen hätte man sich wahrscheinlich die gesamte Tagesration von zehn bis fünfzehn Litern auf einmal in den Hals kippen müssen. Das geschah bestimmt sehr selten.
Damals waren bei uns ja Tee, Kaffee und Kakao noch unbekannt. Obst und Gemüse kostete viel Geld, so etwas konnten sich nur reiche Bürger leisten. Auf dem täglichen Speisezettel einfacher Leute stand Korn als Brei oder Grütze sowie Fisch – haltbarer, gesalzener. Dazu kam der Göttertrank, für Kinder ebenso wie für Erwachsene zu warmer Biersuppe, Bierbrei und Bierbrot verarbeitet – es gibt davon hochinteressante Rezepte.
Die klägliche Qualität des Hamburger Trinkwassers verursachte häufig Bauchweh oder Schlimmeres. Bier schien ungleich bekömmlicher, dabei wurde ihm doch ganz dasselbe Wasser zugesetzt (allerdings, und den Zusammenhang durchschaute man noch nicht, stets nur in abgekochter Form.)
Glücksfaktor: Ich LIEBE Bier! Das war eine der wenigen Vorlieben, die meine Mutter und ich gemeinsam hatten.