Als das passierte mit der Deutschen Einheit –


ich meine den eigentlichen ‚Mauerfall‘ vor 31 Jahren, am neunten November, da saß ich vor dem Fernseher und weinte. Ich hatte vorher mit Freunden und mit meinem kleinen Sohn rund um die Außenalster eine Lichterkette gebildet, aus Solidarität für die Deutschen im Osten, das nannte sich, glaube ich, ‚Alsterleuchten‘, wir hatten oft Kerzen ins Fenster gestellt zum gleichen Zweck. Und jetzt plötzlich war es passiert – die Mauer zwar noch da, und doch war sie weg.

Eine Revolution ohne Blut und Gewalt. Massen von Menschen, die sich umarmten. Ich fühlte mich ergriffen und aufgewühlt – was für eine Nacht!

Dann rief ich meine Mutter an. Sie war bei Kriegsende mit meinem Vater nach Hamburg geflüchtet und hatte ihre Heimatstadt seitdem nie wieder gesehen. Sie sagte, sie wollte nicht, es sei bestimmt nicht mehr ihre Stadt. Aber sie war Berlinerin durch und durch, geboren in Charlottenburg, hatte nie richtig den Dialekt abgelegt. Sie mochte Hamburg nicht besonders, weil sie es provinziell fand und erklärte mir mal: „Berlin ist eine wirkliche Großstadt. Hamburg ist nur eine große Kleinstadt …“

Ich fragte mich, wie sie mit dieser Nachricht fertig wurde. Ich war bereit, sie bei nächster Gelegenheit nach Berlin zu fahren. Ich war bereit, sofort mit Arne zu ihrer Wohnung zu kommen, sie zu umarmen, mit ihr zu feiern. Ich könnte unterwegs irgendwo Sekt besorgen …

„Mama!“, rief ich, als sie den Hörer abnahm, „Was sagst du?!“

Und sie erwiderte mit ihrer dunklen Stimme trocken: „Das wird ein Heidengeld kosten, denk an meine  Worte!“

Glücksfaktor: Ich glaube, später hat sie sich doch gefreut. Sie wollte es nur nicht zugeben.

 


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