Am 12. März 1507 starb Cesare Borgia


Da war er erst Mitte 30, ein Sohn des einige Jahre vorher verstorbenen Papstes Alexander VI. Ja, doch, damals gab es das Zölibat bereits. Es wurde nur von vielen gerade höhergestellten Geistlichen nicht so streng beachtet wie in unserer Zeit. Der Papst gönnte sich eine Familie, ohne direkt verheiratet zu sein. Cesares kleine Schwester war zum Beispiel die schöne Lucrezia, der viel Böses nachgesagt wurde, unter anderem Inzest mit Vater und Brüdern.

Cesare wurde von Zeitgenossen als ungewöhnlich attraktiv beschrieben, großgewachsen und athletisch, mit dichtem rötlich-dunklem Haar und lebhaften schwarzen Augen. Der Eindruck änderte sich später, nachdem er sich mit der Syphilis ansteckte und schließlich von derart schlimmen Geschwüren gezeichnet war, dass er gern Ganzgesichts-Masken trug. (Columbus brachte 1493 nicht nur Gold und die Kunde der neuen Welt aus Amerika mit, sondern auch einen wahrscheinlich mutierten, ungewöhnlich vitalen Erreger der in Europa bis dahin eher zahmen Geschlechtskrankheit. Vielleicht war es der Syphilis besonders gut bekommen, sich an der amerikanischen Urbevölkerung zu erfrischen, die keinerlei Abwehrstoffe gegen die Krankheit besaß.) 

Die Borgias stammten aus Spanien, eine ehrgeizige Adelsfamilie. Vater Rodrigo (der spätere Papst  Alexander VI.) wollte unbedingt auf den Heiligen Stuhl gelangen. Nicht, weil er so fromm war, sondern aus machtpolitischen Gründen. Verkürzt gesagt kaufte er sich dieses Möbel, denn die Borgias waren sehr vermögend und im Übrigen, sogar für die wölfischen Renaissance-Menschen, erstaunlich brutal und bedenkenlos.

Papst Alexander VI.

Cesare wurde bereits in sehr jungen Jahren zum Herzog, Fürsten und Grafen aller möglichen Italienischen Provinzen gemacht, außerdem zum Feldherren, Kardinal und Erzbischof. Letzteres auch nicht, weil er so fromm war, sondern weil sein Papa ihm diese theologischen Ämter zugeschustert hatte. Kirchenmann war allerdings nicht sein Ding, dafür gab Cesare einen richtig guten Krieger und Befehlshaber ab.

Er hatte sich als hervorragender Schüler erwiesen, eine Freude für seine Lehrer, die ihn als „Zierde und Hoffnung“ des Hauses Borgia priesen, was seinen Vater leider wenig überzeugte. Als kleiner Junge überreichte Cesare dem Humanisten und Haushofmeister seines Vaters, Lorenz Beheim, eine Liste mit Fragen, unter anderem, ob man nicht so etwas wie ein künstliches Gedächtnis erschaffen könne, Apparate erfinden, mit denen es möglich sei, von einer Burg zur anderen zu sprechen oder ein Gerät, um unter Wasser zu atmen. Ein aufgeweckter Knabe.

Aus irgendwelchen Gründen jedoch zog der Papst diesem, seinem ältesten Sohn, den ein Jahr jüngeren Juan vor. Der war nicht ganz so hübsch und bedeutend weniger brillant als der erstgeborene Cesare und wird übereinstimmend als arrogantes Quadrat-Ekel beschrieben – manchmal weiß man nicht, wieso Väter einen bestimmten Liebling haben.

Als man die Leiche Juans im Tiber entdeckte, in seinem 21. Lebensjahr ermordet und zwar nicht nur erstochen, sondern anscheinend voller Wut und Hass von Messerstichen übersät, da gerieten nicht nur die verfeindeten italienischen Adelsfamilien der Borgia in Verdacht, sondern auch sein älterer Bruder. Aufgeklärt wurde dieser Mord nie. Immerhin hatte Juan Borgia sich einundzwanzig Jahre lang aus Leibeskräften überall unbeliebt gemacht.

Trotz Luxus und Macht muss Cesare ziemlich frustriert gewesen sein. Wenn jemand sich von klein auf missachtet und ignoriert fühlt, dann kann das seelische Verletzungen verursachen. Der junge Mann hatte etwas zu beweisen, seinem Vater, sich selber, der ganzen Welt. Er machte sich daran, brutal, raffiniert, kaltschnäuzig und für eine Weile recht erfolgreich, große Teile Italiens zu erobern.

Fasziniert beobachtet wurde er dabei von einem ganz anderen jungen Mann, dem Schriftsteller, Staatsphilosophen und Chronisten Niccolò Machiavelli. Der Denker mit dem verschmitzten FrettchenGesicht verfasste ein Werk betitelt Il Principe das heißt Der Fürst. Darin beschreibt er einen Mann,

Machiavelli

der intelligent, entschlossen und skrupellos handelt und dadurch zum siegreichen Eroberer und rücksichtslosen Herrscher wird. Wer hier vor allem das Vorbild für die Figur war, blieb kein Geheimnis.

Von Napoleon Bonaparte heißt es, dies sei eins seiner Lieblingsbücher gewesen: eine Gebrauchsanleitung zum Usurpator. 

Durch dieses Buch entstand der Begriff Machiavellismus, der kurz gesagt eine politische Haltung bedeutet, die nicht gerade von Naivität, Idealismus oder Demokratiebedürfnis getragen ist. Machiavellismus übrigens benutzt auch die Psychologie als ein Persönlichkeitsmerkmal der Dunklen Triade. (Die anderen beiden sind Psychopathie und, natürlich, Narzissmus.)

Da haben wir den Salat. Hätte der Papst seinen Ältesten besser zu würdigen gewusst, dann wäre der vielleicht nicht so wütend auf die Welt losgesprungen und hätte eventuell keine weiteren Tyrannen zu ihren Taten inspiriert. 

1507 also war Schluss mit Cesare Borgia. Gesundheitlich ging es ihm, wie erwähnt, gar nicht gut und auch sonst strampelte er seit einer Weile weniger erfolgreich der Macht hinterher. Zwar gelang ihm ein halbes Jahr vor seinem Tod noch einmal ein Meisterstück, die Flucht aus einem spanischen Kerker mittels einer seidenen Schnur – doch vielleicht war er einfach mürbe und verspürte keine besondere Lust mehr auf weitere Eroberungen oder überhaupt ein weiteres Leben. Im März kämpfte er im Dienst des Königs von Navarra während der Belagerung einer Festung, als man ihm durch zwanzig bewaffnete Reiter eine Falle stellte. Cesare wurde nicht nur gewarnt, er sah sogar den Hinterhalt – und stürzte sich trotzdem in diesen völlig aussichtslosen Kampf. Vielleicht die ihm gemäße Art, Selbstmord zu begehen.

Glücksfaktor: anerkennende Väter …

 

 

 

 

 

 

 


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