Da war er siebzehn Jahre alt und zunächst noch ein relativ nettes Kerlchen. An seinem Beispiel ist gut zu beobachten, wie Macht den Charakter versaut. Allerdings war er auch genetisch schwer geschädigt: Seine Mutter, Agrippina, hatte gerade seinen Stiefvater, Kaiser Claudius, ihren Gatten, vergiftet. Immerhin für einen guten Zweck: eben, damit ihr Sohn Kaiser werden konnte.
Erstens musste Claudius weg, weil er den Thron blockierte. Zweitens, weil er Ambitionen zeigte, nicht (oder jedenfalls nicht nur) seinen Stiefsohn Nero, sondern seinen leiblichen Sohn, Britannicus, zum Nachfolger zu machen. Deshalb gab es eine Menge Zoff mit Agrippina und das bewusste Pilzgericht, das Kaiser Claudius so gut schmeckte und so schlecht bekam.
Was Nero anging, (der Überlieferung nach drall, rotblond und, anders als auf dieser Darstellung, blauäugig), so wäre er eigentlich lieber Schauspieler oder Sänger geworden als ausgerechnet Kaiser. Ihn interessierte von klein auf die Kunst, Architektur, das Theater. Er wäre ein prima Waldorfschüler gewesen, ganz der musische Typ. Doch dafür hatte er sich in die falsche Figur inkarniert. Er war ein Claudier, und die Claudier waren seit längerer Zeit machtmäßig unterwegs. Um den Kaiser kam er nicht drumrum.
Ob er Rom angezündet hat, um es a) im neuen Stil wieder aufzubauen und den Brand b) zu besingen, ist nicht bewiesen. Auf jeden Fall schob er das Zündeln den Christen in die Sandalen, ließ sie verfolgen und ausführlich zur Volksbelustigung hinrichten. Die Christen, das ist nur logisch, hielten ihn spätestens von da ab für den Antichrist.
Er soll seine Mutter, die böse Agrippina, ermordet haben, seinen Stiefbruder Britannicus und natürlich einige seiner Ehefrauen: Octavia, der ersten, ließ er die Pulsadern aufschneiden und sie in heißem Dampf ersticken. Poppäa, der zweiten, trat er in den Bauch, als sie schwanger war, was sie umbrachte. Das bereute er allerdings hinterher, denn er vermisste ihr schönes Gesicht.
Doch dann, ein Jahr nach Poppäas Tod, begegnete er Sporus, einem sehr jungen Mann, dessen Gesicht eine ungewöhnliche Ähnlichkeit mit der toten Kaiserin hatte! Nero ließ Sporus umgehend kastrieren, nahm ihn nach einem griechischen Ritus zur Frau und nannte ihn von da ab Sabina. Und falls die nagelneue Sabina das alles nicht so witzig fand, konnte sie sich immerhin damit trösten, dass sie an öffentlichen Auftritten als Kaiserin teilnehmen durfte, über eigene Hofdamen verfügte und Schmuck und Kleider einer Kaiserin tragen konnte. Er – oder sie – wurde nicht alt: Um das zwanzigstes Lebensjahr herum nahm Sporus/Sabina sich das Leben. Doch da gab es auch den Kaiser bereits nicht mehr.
Nero wurde nur 30 Jahre alt. Aus verschiedenen Gründen immer unbeliebter und schließlich von seiner Prätorianergarde verlassen, sah er ein, dass er zu gehen hatte. Nachdem er verschiedentlich bejammerte, was für ein Künstler mit ihm zugrunde ginge, ließ er sich von seinem Sekretär dabei helfen, sich selbst zu erstechen.
Es ist übrigens anzunehmen, dass er leider keineswegs so schnuckelig war wie Peter Ustinov, der ihn im Film Quo Vadis darstellte.
Glücksfaktor: Inzwischen haben wir nur noch vernünftige, ernstzunehmende, verantwortungsbewusste Herrscher oder Anführer …