Am 14. Januar 1724 war der König von Spanien zu traurig, um weiterregieren zu können


Philipp V. fühlte sich zunehmend von Depressionen gebeutelt, die täglich schwerer wurden. Er spürte keine Zukunft, er hörte nichts Schönes, er sah nichts Angenehmes, alles kam ihm trist und vergeblich vor und er fand wohl zu Recht, dass er auf diese Art für sein Land und seine Untertanen kaum ein Segen sein konnte.

Im Alter von 41 Jahren übergab Philipp das spanische Königreich seinem ältesten Sohn, der zu seinem Schrecken ganz plötzlich Ludwig I. war. Der nagelneue junge König, sechzehn Jahre alt,  bemühte sich einigermaßen verzweifelt, seinen Verpflichtungen nachzukommen.

Ludwig war bereits zwei Jahre vorher, als Vierzehnjähriger, mit einer zwölfjährigen Prinzessin von Frankreich verheiratet worden. Nachkommen bisher: keine.

Stattdessen starb Ludwig der Erste von Spanien nach sieben Monaten Regierungszeit an den Pocken. In Ermanglung eines weiteren brauchbaren Thronerben (sein einziger noch lebender Sohn war erst zehn Jahre alt) sah sich der traurige Philipp – inzwischen vermutlich noch viel trauriger  durch Ludwigs Tod – gezwungen, seinerseits erneut auf den Thron zu klettern.

Aber da geschah ihm eine ungeheure Erleichterung! So wie in Andersens Märchen von der Nachtigall, die den schwermütigen Kaiser von China tröstet, flatterte ein Sänger an den spanischen Hof und tat der Seele des Königs unendlich wohl. Das war der berühmte italienische Kastrat Farinelli.

Einen berühmteren gab es nicht, eine schönere Stimme soll auf diesem Planeten nie gehört worden sein. Weil der junge Mann bereits als Knabe so göttlich sang, dass es kaum auszuhalten war, ließ ihn sein Vater, ein Musikliebhaber, kastrieren, als der kleine Sänger eben neun Jahre alt war. Nun war zwar einiges weg, doch die herrliche Stimme blieb erhalten, ein klarer, strahlender Sopran.

Ihn an den Hof zu holen, war ein Einfall der sehr energischen, nicht im geringsten schwermütigen Königin Elisabeth, Philipps Gemahlin. Sie erinnerte sich, gehört zu haben, dass so etwas vierzig Jahre vorher schon mal funktioniert hatte. Als Karl II. von Spanien, auch nicht gerade eine Frohnatur, sich vor lauter Melancholie fast auf die Nase trat, ermunterte ihn ebenfalls ein Sopranist.

Farinelli, der Unvergleichliche, sang nun für den traurigen König, der dadurch wirklich aus den schlimmsten Depressionen auftauchte und sogar hin und wieder lächelte. Nur – Farinelle musste jeden geschlagenen Abend für Philipp singen, mehr oder weniger immer nur dieselben vier Lieder. Ein Abend ohne Gesang, und der König sah das Leben wieder schwärzer als Schwarz. 

So blieb der geduldige und freundliche Sänger, der ursprünglich einen fünf Monate dauernden Besuch machen wollte, 25 Jahre lang am spanischen Hof. Er nutzte seinen erheblichen Einfluss auf den König niemals aus, weil Politik ihn nicht interessierte  …

Glücksfaktor: Musik in ihren vielen Gestalten.

 

 

 


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