Am 15. Juni ist der Tag des Strandkorbs in Deutschland


Ein Strandkorb ist etwas Urdeutsches. Er kommt unserer Neigung für Zäune, Abgrenzung und Einigelung entgegen. Früher noch verschärft durch die Gewohnheit, eine  ‚Burg‘ drumrum zu bauen, möglichst mit Namenszug der Heimatstadt aus Muscheln und mit kleinen Flaggen.

Strände gibt es auf der ganzen Welt, aber woanders liegt man eher in Liegestühlen verschiedener Art. Als Deutschland zweigeteilt war, gab es viele unterschiedliche Ansichten und Gewohnheiten. Strandkörbe jedoch auf beiden Seiten.

Wir haben da ein kleines Heim mit Fußstützen und ausklappbaren Tischchen. Die Zeitung fliegt nicht auseinander und der Sand landet nicht so direkt auf eingecremter Haut. Er hält den Wind ab. Er gibt Schatten oder lässt Sonne zu. Er schirmt ab, wenn diskret der Badeanzug gewechselt wird. Man kann aus seiner Geborgenheit heraus alles sehen, mit dem Gefühl, selbst nicht gesehen zu werden, so ähnlich wie in einem Auto. 

Im Jahr 1882 begab sich eine Madam Maltzahn aus Rostock zum kaiserlichen Hofkorbmacher Ludolph Wilhelm Eduard Bartelmann und bat ihn, für sie einen Korbstuhl herzustellen, in dem sie den Blick auf die Ostsee genießen konnte. Wichtig war ihr, dass der Stuhl sowohl Schatten spendete als auch einen Schutz gegen den Wind: denn Frau Maltzahn litt an Rheuma.

Hofkorbmacher Bartelmann orientierte sich beim Bau dieses Stuhls an ähnlichen Sitzen aus Weiden- oder Schilfrohrgeflecht, die manchmal zum Beispiel an holländischen Stränden zu sehen waren, gab ihm jedoch ein rundlicheres, gefälligeres Aussehen und lieferte das Gewünschte am 15. Juni ab. Dieser erste Strandkorb, ein Einsitzer, stand am Strand von Warnemünde in der Nähe des Leuchtturms.

Die Auftraggeberin war sofort entzückt.

Vorbeischlendernde Strandbesucher waren sofort neidisch.

Bartelmann erhielt noch am selben Abend mehrere weitere Aufträge – am liebsten bitte Zweisitzer! Der Korbmacher hatte, wie gesagt, mit seinem Produkt, vermutlich sehr aus Versehen, einen erzdeutschen Nerv getroffen.

Das Geschäft mit den Strandkörben hätte blühen können, hätte Bartelmann nicht die kleine Eigenart besessen, dass ihn Geschäftemacherei zuwider war. Trotz der deutlichen Nachfrage weigerte er sich, ein Patent auf den Strandkorb anzumelden. Angebote, die Strandkörbe gewissermaßen in Serie gehen zu lassen, wies er entrüstet von sich. Er sah sich keineswegs als ‚Fabrikant‘, Igitt auch, sondern als künstlerischen Handwerker, der Einzelstücke entwarf. (Und sie mit Wohlbehagen immer weiter verfeinerte, siehe Fußstützen und ausklappbare Tischchen.)

Seine Frau Elisabeth litt weniger an derartigen Skrupeln. Sie sah in der Tatsache, dass nicht jeder Feriengast, der sein Hinterteil einige Sommerwochen in einem Strandkorb parken wollte, diesen auch gleich kaufen mochte, eine lukrative Chance und eröffnete im Jahr darauf, also im Sommer 1883, in Warnemünde den ersten Strandkorbverleih.

Das war fast so genial wie die Schöpfung ihres Gatten. Nun musste man kein kleines Vermögen für einen ganzen Strandkorb hinlegen, der den größten Teil des Jahres überhaupt nicht benutzt wurde. Man konnte so ein Dings vielmehr mieten für so lange, wie man es brauchte. Es bekam auf dem Rücken eine große Nummer und stellte, für diese Saison, ‚unseren Strandkorn‘ dar, durfte hinterher seinem Schicksal überlassen bleiben und wurde im Winter zuverlässig gereinigt, gewartet und ausgebessert.

Im Lauf der nächsten Jahre erweiterte Familie Bartelt ihren Verleih mit mehreren weiteren Filialen an der Ostseeküste und machte sicherlich auch gute Geschäfte – nur halt nicht das ganz, ganz große. Weil das dem Erfinder nun mal widerstrebte.

 

Übrigens eignet ein Strandkorb sich auch für romantische Erlebnisse, nachts, wenn man einen nicht-abgeschlossenen findet. Nicht superbequem natürlich. Aber immer noch besser als die meisten Autos…

Glücksfaktor: Ferien am Strand!


Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert