Am 16. April 1755 wurde Élisabeth Vigée-Lebrun geboren


 

Ihr Papa war Maler, und sobald er sein Töchterchen kennen lernte – das war ungefähr 1762 – stellte sich heraus: dieses Kind zeigte sich bereits früh erstaunlich pinselbegabt. Sie zeichnete und malte ganz entzückend, in ihre Schulhefte oder notfalls auf die Wände.

Wieso dauerte es so lange, bis ihr Vater von diesem Talent Notiz nahm? Weil Élisabeth als Baby zu Bauern aufs Land gebracht wurde, bis sie ungefähr fünf Jahre alt war. Anschließend kam sie in ein Klosterinternat in Paris. Das alles nicht etwa, weil sie krank war oder in unordentlichen Familienverhältnissen lebte, ganz im Gegenteil. Vielmehr war es die völlig normale Vorgehensweise begüterter Familien, ihre Sprösslinge unterzubringen. Man ahnte noch nichts davon, dass Kinder seelischen Schaden nehmen, wenn sie getrennt von den Eltern aufwachsen. Und vielleicht, weil das niemand wusste, nahm auch niemand Schaden daran. Eventuell jedoch waren alle schwer traumatisiert – wer weiß?

Jedenfalls verließ Élisabeth das Internat, als sie zwölf war und lebte nun im Elternhaus. Kurze Zeit unterrichtete ihr Vater sie im Malen, doch starb er bald darauf. Ihre weitere Ausbildung übernahmen renommierte Maler der Stadt. Das junge Mädchen machte sich hervorragend; bereits mit fünfzehn Jahren erhielt sie größere Summen für ihre Portraits, und die Familie (ihre Mutter hatte wieder geheiratet) lebte in einigem Luxus.

Als Élisabeth zwanzig Jahre alt war, begegnete sie Jean-Baptiste-Pierre Lebrun, einem Maler, Kunsthändler und Kunstsammler. Obwohl sie verschiedentlich gewarnt wurde – der sieben Jahre

ältere Lebrun sei ein Glücksspieler, Weiberheld und Wüstling – konnte sie nicht umhin, sich in ihn zu verlieben. Die beiden heirateten im Januar 1776 und bekamen vier Jahre später eine Tochter, Jeanne Julie Louise.

Inzwischen machte Élisabeth immer weiter Karriere. Sie malte viele Persönlichkeiten des französischen Adels und erregte besonders die Bewunderung der Königin Marie-Antoinette, die dafür sorgte, dass die Malerin 1783 Mitglied der Königlichen Akademie der Malerei und Bildhauerei wurde. Ihre beträchtlichen Verdienste gab im wesentlichen ihr Gatte aus,der sie ‚managte‘ und ihr nur ein klein wenig von den Honoraren übrig ließ. In ihren Lebenserinnerungen schreibt die Malerin, sie habe damals überhaupt keinen Sinn für den Wert des Geldes gehabt und sich deshalb gutmütig dieser Art der Aufteilung gefügt.

Dann kam die französische Revolution. Jean-Baptiste-Pierre sympatisierte mit den Revolutionären. Das gab Streit: Seine Frau, Hofmalerin und gute Freundin vieler französischer Adliger, teilte seine politischen Ansichten in keiner Weise. Sie verabschiedete sich klugerweise einige Wochen nach der Erstürmung der Bastille 1789 aus Paris, nachts, so unauffällig wie möglich. Ihre geliebte kleine Tochter und deren Gouvernante begleiteten sie.

Zunächst reiste Élisabeth nach Italien, Parma, Florenz und Neapel. Innerhalb kurzer Zeit wurde sie auch hier immens erfolgreich und 1790 in die Accademia di San Luca in Rom aufgenommen. Nun portraitierte sie eben die italienische Aristokratie.

Zwei Jahre später erfuhr sie, dass sie alle französischen Bürgerrechte verloren hatte. Sie galt, sicher nicht zu unrecht, als Royalistin. Durch Vermittlung des österreichischen Botschafters in Mailand kam sie nach Wien – und malte auch hier adlige Kundschaft.

Inzwischen ließ Jean-Baptiste-Pierre sich scheiden. Man muss ihm zugute halten, dass er sich sehr bemüht für seine Frau eingesetzt hatte. Doch nachdem er sogar für eine Weile in Haft genommen war und die Gefahr bestand, dass alle seine Güter und Élisabeths Besitz zur Pfändung freigegeben würden, war das sicher ein vernünftiger Schritt.

Währenddessen lernte Élisabeth die Zarenfamilie kennen und malte am Hof in St.Petersburg so viele Aristokraten, dass sie in sechs Jahren ein großes Vermögen ansammelte – diesmal, ohne von ihrem Gatten davon befreit zu werden.

Zwölf Jahre dauerte das Exil der Malerin. Dann hatte Paris sich beruhigt, Napoleon saß auf dem Thron und seine Schwester Caroline ließ sich von Élisabeth portraitieren.

Die Malerin war durch ihre Exiljahre in Europa bekannt geworden. Sie arbeitete noch gerne in England und in der Schweiz, lebte jedoch im wesentlichen wieder in ihrer Heimat. Ihr Ansehen und ihr Reichtum wuchsen stetig. 

Sie verzichtete darauf, Jean-Baptiste-Pierre noch einmal zu heiraten. Er war inzwischen übrigens hoch verschuldet. In den vergangenen Jahren hatte Élisabeth gelernt, mit Geld umzugehen. Sie schenkte ihrem geschiedenen Mann nichts, doch sie kaufte ihm einige Immobilien ab, wodurch er wieder einigermaßen auf die Beine kam. 1813 starb er, sechs Jahre später auch die Tochter Jeanne Julie Louise, noch keine 40 Jahre alt.

Élisabeth Vigée-Lebrun erreichte ihr 86. Lebensjahr. Sie veröffentlichte mit Hilfe zweier Nichten ihre Memoiren in drei Bänden, und die verkauften sich auch wieder gut.

Glücksfaktor: Wenn schon kein Liebesglück, dann wenigstens Erfolg …

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


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