Am 16. Februar 1899 starb der französische Präsident Félix Faure einen süßen Tod …


Das andererseits ja auch betrübliche Ereignis fand in Paris im Élysée-Palast statt, in einem Gemach neben den Büroräumen, genannt der ‚blaue Salon‘, gedacht für blaue Stunden oder so ähnlich.

Hier verbrachte der Präsident einen winterlich-verhangenen Donnerstagnachmittag in Gesellschaft der attraktiven dreißigjährigen Marguerite Steinheil, deren Ehemann ein guten Bekannter Faures war. Madame Steinheil gelang es immer wieder, durch geistreiches Geplauder die Sorgenfalten auf der Stirn des Politikers zu glätten und ihm etwas Entspannung zu verschaffen. 

Félix Faure war Ende Fünfzig, ein gesetzter Herr mit gepflegtem Schnauzbart und einer lieben Familie, bestehend aus der Gattin (die Ehe gab es seit fast 35 Jahren, also länger, als Marguerite auf der Welt war) und zwei Töchtern.

Marguerite war eine höhere Tochter aus angesehener Familie, eine geborene Japy, standesgemäß erzogen, aber ungewöhnlich heißblütig veranlagt für eine junge Frau ihrer Zeit. Herrn Steinheil hatte sie geheiratet, als sie einundzwanzig war, sehr zur Erleichterung ihrer Familie. Es wurde nämlich ständig befürchtet, (was sich ja später auch bewahrheitete): dass Marguerite etwas tat, was Schmach und Schande nach sich zog.

An diesem Nachmittag im Februar genossen Marguerite und Félix etwas Mocca, einen Cognac und ihr Zusammensein. Bis dann plötzlich ziemlich verzweifelte Laute aus dem blauen Salon erklangen – derart, dass die Mitarbeiter sie, also bei aller Diskretion, nicht überhören konnten. 

Das Personal klopfte zunächst leise, dann etwas energischer – die verzweifelten Laute wurden dringlicher, so dass es geraten schien, die Tür zu öffnen. Man erblickte den Präsidenten auf dem Sofa, seine Freundin auf Knien vor ihm und in tatsächlich bedrängter Lage. Die Hände des Staatsoberhauptes hatten sich in Marguerites Haare verkrallt und verflochten und ließen im Tod nicht los. Faure war einem Herzschlag erlegen.

Ein Sekretär, der eine Nagelschere im Schreibtisch beherbergte, half Madame Steinheil, freizukommen, worauf sie sich anziehen und durch einen Hintereingang verschwinden konnte.

Also bei aller Diskretion – die Sache sprach sich herum. Zwar hieß es offiziell, der Präsident habe am Nachmittag einen Herzinfarkt erlitten und sei am Abend daran verstorben –  doch vermutlich war die Wahrheit zu amüsant, um verborgen zu bleiben. Allerdings blieb Marguerites guter Ruf noch eine Weile gewahrt, denn da Félix über weitere Freundinnen verfügte, geriet zunächst eine bekannte Schauspielerin,Cécile Sorel, in den Verdacht, ihn zu sehr entspannt zu haben.

Bis schließlich nach und nach durchsickerte, wer tatsächlich am Hebel gesessen hatte.

Monsieur Steinheil, Marguerites Mann, war Kunstmaler. Das Ehepaar lebte luxuriös und aufwendig, indem sie sich darauf geeinigt hatten, dass Marguerite Affären mit begüterten Herren – auch gern mehreren zur gleich Zeit – anfing, und ihre Liebhaber sich gegen ein saftiges Honorar vom Künstler portraitieren ließen. Nachdem sich jetzt herumsprach, dass sie zum Sterben gut war, blühte das Geschäft.

Bis zum Mai 1908. Da gab es einen schrecklichen, aufregenden, geheimnisvollen Überfall auf die Steinheils. Marguerite wurde von einem Diener geknebelt und nackt ans Bett gefesselt  vorgefunden, ihr Mann, im Nebenzimmer, erwürgt, ihre Mutter, in einem anderen Zimmer, ebenfalls erdrosselt. Die Überlebende erzählte eine ziemlich wirre Geschichte von einer vierköpfigen schwarzgekleideten Einbrecherbande, darunter eine rothaarige Frau, die sie gefragt hatten, wo das Geld versteckt sei, um ihr dann eins über die Rübe zu hauen – sie sei gefesselt und entkleidet wieder aufgewacht.

Alles Mögliche an der Geschichte schien nicht zu stimmen. Marguerite beschuldigte nacheinander verschiedene Dienstboten, Mitglied dieser ‚Bande‘ gewesen zu sein. Eigentlich war so recht nichts geklaut worden, den Schmuck und das Familiensilber zumindest hatten die Diebe verschmäht. Nachdem sie sich lange genug verdächtig gemacht und in Lügen verheddert hatte, wurde Marguerite selbst im November verhaftet. Sie saß ein Jahr in Untersuchungshaft, während Juristen an dem merkwürdigen Fall herumtüftelten. 

Es stellte sich heraus, dass Marguerites Mann starb, weil ihm jemand den Kehlkopf eingeschlagen hatte, und dass ihr Mutter überhaupt nicht erwürgt worden war, sondern an ihrer Zahnprotese erstickte …

Was auch immer wirklich passiert sein mochte, Madame Steinheil blieb bei ihrer Geschichte von den vier schwarzgekleideten Einbrechern. Sie verteidigte sich brillant und war nicht zu widerlegen. Die Verhandlung dauerte bis halb zwei in der Nacht, dann lautete das Ergebnis: Marguerite Steinheil wurde in sämtlichen Anklagepunkten nicht schuldig gesprochen.

Nachdem ihr Ruf inzwischen ein wenig allzu laut geworden war, begab sich Marguerite nach ihrer Freilassung unter einem anderen Namen nach England. Hier heiratete sie, als sie 48 war, einen englischen Baron … 

Glücksfaktor: eine solide Anziehungskraft auf das andere Geschlecht.

Marguerite Steinheil,


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