Das Bundesministerium des Inneren unter Hans-Dietrich Genscher verfügte im Sinne der mächtig voreinschreitenden Gleichberechtigung, dass mit dieser Titulierung Schluss sein müsse, weil schließlich auch nirgends vom ‚Herrlein‘ die Rede war: “ … Im behördlichen Sprachgebrauch ist daher für jede weibliche Erwachsene die Anrede ‚Frau‘ zu verwenden.“
In der DDR lief das mit der Gleichberechtigung eventuell weniger kulturell und mehr praktisch, weswegen dort der Begriff Fräulein bis zum Mauerfall bestehen blieb. Zu sagen wäre auch, dass es in anderen europäischen Ländern bis heute die Entsprechung gibt, von Miss über Mademoiselle bis Signorina.
Ein Fräulein, das war jahrhundertelang ein unverheiratetes Wesen, Neutrum (DAS Fräulein), Jungfrau. Noch früher hieß das übrigens Jungfer. Ein Fräulein konnte unter Umständen einem Beruf nachgehen, warf den jedoch auf der Stelle über Bord, sobald sich ein Traumprinz fand, der sie wegheiratete und damit in jeder Beziehung zur Frau machte. Dann durfte sie den Haushalt führen sowie Kinder bekommen und erziehen, den Gatten bei Laune halten, wenn er erschöpft von der Arbeit kam und sich halbtot freuen, dass sie keine alte Jungfer geblieben war.
Wenn sie sich tatsächlich vor der Heirat im Berufsleben herumtrieb, dann vor allem als Lehrerin, Fräulein Lehrerin sagten die Kinder vor allem Ende des neunzehnten und Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts gewohnheitsmäßig. Und dieses Fräulein entsprach exakt dem astrologischen Bild des Sternzeichens Jungfrau: kühl und sauber, unerotisch, intelligent, belesen, belehrend, gern bebrillt und meist eher dürftig mit weiblichen Rundungen ausgestattet.
Es gab jedoch noch eine andere Kategorie des Fräuleins. Das lief auf langen Beinen herum, direkt nach dem zweiten Weltkrieg, und verdrehte den Besatzern die Köpfe.
Es war sogar vom ‚Fräulein-Wunder‘ die Rede. Das Wunderbare daran war, dass ein deutsches Mädel nicht, wie erwartet, blondbezopft, ungeschminkt, mit einer Walther PP in der einen und einem Schäferhund in der anderen Hand angestiefelt kam. Sondern durchaus reizvoll und charmant sein konnte – wenn auch, immer noch, durchdrungen von deutschen Werten wie Treue und Fleiß.
Chris Howland, eine Art Kulturbesatzer der Nachkriegszeit, hat das in den 50ern ganz reizend besungen, indem er sorgfältig seinen britischen Akzent pflegte und die Pünktchen im Fräulein wegließ:
„Du bist treu und bist fleißig, kusst herrlich, das weiß ich, kleines Fraulein von Isar und Rhein …“
Glücksfaktor: Die Emanzipation in ihrem ganzen Umfang.