Wahrscheinlich wäre das Land auch mit einem König zufrieden gewesen, nachdem es sich jahrelang von oben bis unten mit blauem Blut bespritzt und alles ausgerupft hatte, das auch nur entfernt adelig und vornehm war. Wie bereits England nach der nüchternen Cromwell-Zeit sehnte sich jedoch inzwischen das Volk, das doch gegrölt hatte: „Nie wieder so ein Fatzke auf dem Thron!“ nach etwas Prunk und Glimmer.
Doch der Mann, dem Frankreich von nun an huldigen sollte, fühlte sich von Natur aus zu Höherem berufen. Nur König? Nö. Dann doch gleich Kaiser. Eine entsprechende Krone wurde hergestellt und auf antik getrimmt, der Papst herbeigeschafft (sehr mühsam für den armen alten Mann. Doch auch er – obwohl selbst Löwe – kam nicht gegen den Willen des Herrschers an und bewegte sich, wohl oder übel, von Rom nach Paris), die alte Kathedrale Notre Dame von innen und außen poliert und geschmückt. Kostüme für die handelnden Personen (die Familie des zukünftigen Kaisers, die recht umfangreich war) wurden entworfen. Man orientierte sich dabei gern ein wenig an Vorbildern aus dem alten Rom. Erstens war das sowieso gerade der angesagte Stil. Und zweitens konnte Napoleon nicht umhin, sich ein wenig mit den antiken Cäsaren zu vergleichen.
Da ein Hofstaat benötigt wurde und Frankreich, wie gesagt, als es noch ganz Revolution war, noch den letzten feinen Kammerdiener abgemurkst hatte, ernannte der zukünftige Kaiser einen Haufen seiner alten Kriegskumpel und Haudegen zu Kanzlern, Marschällen, Kämmerern und Großstallmeistern mit den dazugehörigen Orden.
Seine vielen Schwestern und Brüder wurden zu Prinzessinnen und Prinzen. Seine Frau Josephine sollte nicht nur Kaiserin, sondern auch ihrerseits gekrönt werden. Napoleon schwebte vor, dass seine Schwestern Elisa, Caroline und Pauline deren ellenlange, hermelingefütterte Krönungsschleppe – schleppen sollten!
Hinter ihr her! Dabei konnten die Mädels ihre Schwägerin sowieso nicht ausstehen!
Sie trugen dann, in der Kirche, die schwere Schleppe – und ließen sie alle drei plötzlich gemeinsam los, als Josephine gerade die letzten Stufen nach oben zur Krönung schritt. Worauf die Ärmste, wie geplant, gewaltig ins Torkeln kam und sich nach hinten unten gezogen fühlte. Da schickte der soeben gekrönte Kaiser einen so furchtbaren, flammenden Blick auf Elisa, Caroline und Pauline – dass die sich erschrocken sofort wieder die Schleppe schnappten und Josephine vor dem Umfallen bewahrt blieb. Die kleine familiäre Szene dauerte eine Achtelsekunde, wurde jedoch vom Chronisten für die Ewigkeit erhalten.
Napoleon ließ sich von dem größten, wunderbarsten, gescheitesten und begabtesten Mann krönen, den es seiner Ansicht nach auf Gottes Erdboden gab. Dafür hatte er ja schließlich den Papst anreisen lassen. Das heißt, nein, der Papst sollte ihn und seine Frau nur segnen. (Auch, wenn der Papst sich das vielleicht anders vorgestellt hatte.) Die Krone setzte sich der Kaiser selbst aufs Haupt. Nur kurz. Erstens war sie schwer und zweitens fand Napoleon sie wohl unkleidsam. So behielt er im Wesentlichen einen vergoldeten Lorbeerkranz auf dem Kopf und ließ sich immer auch nur damit porträtieren. Es gibt absolut kein Bild von ihm mit der Krone …
Da er schon mal dabei war, krönte Napoleon auch gleich eigenhändig seine Gattin.
Der Maler Jaques-Louis David, gewissermaßen der Hoffotograf, machte daraus ein wunderschönes Gemälde. Darauf thront im Hintergrund wie in einer Loge die Mutter des Kaisers. Und das ist gelogen. Die war nämlich überhaupt nicht anwesend. Sie weilte gerade zur Kur in Italien. Da Löwen, die furchtbar beschäftigt sind, manchmal keine Zeit finden, um jeden Menschen zu informieren, was gerade läuft – erfuhr Laetitia aus der Zeitung von der Krönung ihres Sohnes zum Kaiser. Da war sie eine ganze Weile sehr beleidigt und blieb Frankreich fern …
Glücksfaktor: Ab und zu eine kleine Krönung.