Am 20. Mai ist Weltbienentag!


Doch ich befürchte, das wird ihr auch nicht besonders nützen.

Dass es immer weniger Bienen gibt, dass sie unter Insektenvertilgunsmitteln, ‚Unkraut‘-Vernichtungsmitteln, Monokultur und der Umweltkatastrophe leiden, ist bekannt und macht viele Menschen traurig. Leider nicht diejenigen, die daran etwas ändern könnten. 

Was wäre zu tun? Man könnte Honig so streng verbieten, als wäre es Heroin. Vielleicht würde die Biene dann kostbarer? Doch Honig ist nicht so böse wie Heroin und viel gesünder. Es dürfte nicht funktionieren.

Man sollte Blumenwiesen pflanzen und einige Menschen tun das auch bereits. Allen gefällt das ganz und gar nicht …

Als ich vor langer, langer Zeit – vor beinah dreißig Jahren! – aus Hamburg nach Tornesch zog, da war ich ganz entzückt von der Idee, einen Garten zu besitzen und in duftender Erde zu buddeln. Ich wollte ein bisschen Gemüse pflegen und vor allem schwebte mir eine bunte Blumenwiese vor, hüfthoch.

Mit mir zogen in die kleine, nagelneue Siedlung, nicht weit von der Autobahn, mein vierzehnjähriger Sohn und eine Freundin, Muckel, samt Katze und Rottweiler. Muckel teilte meine Gartenideen. Wir guckten uns etwas missmutig in unserem Vorder- und Hintergarten um und empfanden, das sei zu wenig duftende Erde für unsere Bedürfnisse. Ich marschierte zum Rathaus und erklärte wortreich, wir wollten dies und das anpflanzen und benötigten dicke, schwarze Erde – nicht nur etwas Staub über den Trümmern aus Gebäuden, die für den Bau der neuen Siedlung umgelegt worden waren.

Die Rathausangestellte aß während meiner Rede einen Apfel und hörte gelangweilt zu. Dann platzte ein dynamischer Kollege in den Raum, lauschte ebenfalls meinen Ausführungen und versicherte, wir sollten die Erde haben. Die kauende Beamtin und ich guckten gleichermaßen ungläubig.

Indessen kam eine Woche später ein LKW in die Siedlung, hielt vor unserem Grundstück, kippte den Anhänger aus und übergoß unsere Gärten mit wahren Massen von schwarzer, lockerer Erde! Ein Nachbar, der das sah, fragte misstrauisch, wo wir denn das gekauft hätten? Ich murmelte eine undeutliche Antwort. Ich war platt. Das war ein Geschenk – niemals bat uns jemand zur Kasse deswegen.

Muckel und ich legten los, wir gaben unser Äußerstes. Vor dem Haus entwarfen wir (mit Wegen aus geklauten Ziegeln von anderen Baustellen) unseren Gemüse- und Kräutergarten. Er gedieh auf der neuen Erde wie verrückt. Wie hatten Erbsen, Bohnen, Möhren, Kohlrabi, Salat und jede Art von Kräutern.

Damit es auch hübsch aussah, legten wir eine Art kleiner Allee an aus verschiedenfarbigem Flieder und pflanzten rund um das große Fenster Blauregen.

Das alles war ungewöhnlich. Ringsumher teilten alle Nachbarn geschmacklich dieselbe Kulisse: In der Mitte kurzer, gepflegter Rasen, an den Rändern Rabatten von Gardenien und Geranien. Hier und da, im richtigen, ordentlichen Winkel, ein Strauch. Der Rasen wurde ständig geschoren wie ein Soldatenschädel, die Rabatten von Unkraut mit der Pinzette befreit.

Die Nachbarn blickten mit einiger Sorge auf unsere Wiesenfläche. Zuerst ploppte der Mohn hoch, Kopf an Kopf.

Dann folgten sehr bald Margariten und Kornblumen – und dann, bunt und wild, alle möglichen Wiesenblumen. Über allem lag das Gesumm der Bienen und Hummeln, dazwischen flatterten Schmetterlinge.

Wir wurden bereits, als der Mohn schüchtern hochkam, gefragt, ob wir denn nicht mal mähen wollten? Man war sogar bereit, uns Rasenmäher auszuleihen. Nachdem die Blumen ihre Pracht entfalteten, fingen wir böse Blicke und wurden häufig darauf angesprochen, dass unsere Unkrautsamen auf die umliegenden, makellosen Rasenflächen schwebten …

Wir waren sehr, sehr unbeliebt. Spaziergänger, die nicht aus der Siedlung stammten, blieben manchmal stehen und erklärten, unser Garten gefiele ihnen. Die wohnten aber auch woanders und hatten nicht mit unserem Unkraut zu kämpfen.

In einem Winkel des Zahnarztwartezimmers, in dem ich zufällig hinter den Mänteln saß und nicht zu sehen war, erfuhr ich, wie man über uns dachte. Zwei ebenfalls Wartende unterhielten sich über ‚die zwei lesbischen Frauen mit der Mordbestie‘, das klang interessant. Als sie anfingen, von der Unkrautwiese zu reden, wurde mir klar, von wem die Rede war. Die zwei Frauen waren wir, die Mordbestie unser Rottweiler. Unsere Katze hätten wir nämlich auch nicht kastrieren lassen, worauf sie nicht nur die Nachbargärten als Katzenklo benutzte – statt sich im Haus eingesperrt in körnige Katzenstreu zu erleichtern – sondern natürlich auch hochschwanger schamlos umherstrich. (Wir bekamen fünf entzückende Katzenkinder.)

Das alles schienen die Nachbarn gerade noch zu ertragen – aber dann kam der Schuppen, und nun war Schluss. Alle Rundum-Wohnenden bewahrten ihre Gartengeräte entweder in kleinen Blechschuppen, oder in solchem aus gelbem Holz auf, alle akkurat und sauber, vom selben Gartenbaummarkt. Wir jedoch hatten Eckatt.

Eckatt war ein entfernter Kusin von Muckel, freundlich, sanftmütig, tüchtig und von oben bis unten tätowiert – was zutage kam, wenn er, in der Sommersonne schwitzend, ein wenig ablegte. Vor dreißig Jahren war man noch nicht tätowiert. Zudem trug Eckatt einen kleinen goldenen Ring im linken Ohr. und seine Locken waren wie unsere Wiese, nie gestutzt. Er baute uns nach unseren Wünschen einen Holzschuppen dicht ans Haus und erschütterte womöglich die allgemeine Ansicht über unsere sexuelle Orientierung. 

Irgendetwas am Schuppen beunruhigte unsere Nachbarn. Vielleicht der etwas derbe Blumenkasten unter dem kleinen Fenster, in dem die Katze gern lag und ihr Schwänzchen über den Rand baumeln ließ. 

Auf jeden Fall brachte der Schuppen unser Fass zum Überlaufen. Die Nachbarn sammelten Unterschriften und verfassten einen Brief an die Gemeinde Tornesch, in dem sie um unsere Entfernung aus ihrer Siedlung baten.

Die Gemeinde wusste nicht recht. Einige höhere Staatsbeamte der Provinz Pinneberg, vier oder fünf, darunter der Tornescher Bürgermeister, umkreisten unser Haus, besichtigten das Objekt, kicherten, verdrehten die Augen und amüsierten sich. Sie trauten sich indessen nicht, uns direkt anzusprechen oder anzuklagen. Stattdessen delegierten sie den Fall an unseren Vermieter, den Hausbesitzer.

Das war ein bayrischer Millionär. Er besuchte mich eines Tages unvermutet, trug erstaunlicherweise seinerseits einen kleinen goldenen Ring im linken Ohr, besichtigte ebenfalls den Schuppen – ohne zu kichern. Stattdessen bestimmte er: „Der bleibt! Der ist pittoresk!“ trank mit mir Tee, plauderte über Literatur und kraulte unsere Mordbestie zwischen den Ohren.

Da er nicht nur dieses Haus, sondern etliche andere im Kreis besaß und insofern als Wirtschaftsfaktor gelten durfte, war sein Wort Gesetz. Alles blieb so wild und hemmungslos in unserem Garten, wie es war. Die Nachbarn seufzten und warfen giftige Blicke, die Bienen summten.

Aber eine Weile später heirateten sowohl Muckel als auch ich, sie zog nach Amerika, ich nach Uetersen. Nichts dauert ewig.

Inzwischen sieht der Garten rund um dieses Haus genau so aus wie alle anderen. Sicher findet eine geschickte Biene immer noch ein Blümchen, das sich melken lässt und vielleicht auch kein Unkrautvernichtungsmittel enthält.

Aber ich glaube, im Gegensatz zu unsere Nachbarn haben die Bienen uns damals nachgeweint.

 

Glücksfaktor: Gartenarbeit. Je nach dem, wie man sie auffasst …

 

 

 

 

 


Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert