Und zwar vermutlich durch die besonders gemeine Art des Räderns, bei der es um ein möglichst langsames und qualvolles Sterben ging.
Der Mann starb auf diese Weise, weil er höchstwahrscheinlich Recht hatte – oder vielmehr, weil er Recht behalten musste. Er bestand darauf. Sein Geburtsdatum ist nicht überliefert, doch ich möchte annehmen, dass er im Stier geboren war. Nur Stiere bekommen es fertig, derart dickköpfig an einer Sache festzuhalten bis zu ihrem eigenen Untergang.
Heinrich von Kleist übrigens hat über den Vorfall Anfang des 19. Jahrhunderts eine Novelle geschrieben, in der er den Namen des Gerechtigkeit Suchenden ein bisschen änderte: Michael Kohlhaas. Der ist inzwischen sprichwörtlich für unklugen Trotz und Selbstjustiz.
Der wirkliche, nicht literarische Kohlhase lebte als wohlhabender Kaufmann und geehrter Bürger mit seiner Familie in Cölln in der Nähe von Berlin.
Im Herbst 1532 war er mit zwei Pferden nach Leipzig unterwegs, als er plötzlich von Leuten des auf dem Weg dorthin ansässigen Herrn von Zaschwitz des Pferdediebstahls bezichtigt wurde und man ihm die beiden Tiere wegnahm. Kohlhase bot an, den Männern die Reise nach Leipzig zu bezahlen, um Zeugen für sein Anrecht auf die Pferde zu erbringen, doch davon wollten sie nichts wissen. Der Kaufmann war gezwungen, zu Fuß weiter zu reisen.
Herr von Zaschwitz behauptete später, Kohlhase habe sich verdächtig verhalten, auf die Frage nach den Pferden sofort ‚mit Gewalt‘ reagiert und sei dann ‚geflüchtet‘.
Noch beschritt der Kaufmann den amtlichen Weg, indem er sich beim Amtmann von Bitterfeld beschwerte. Der schrieb darauf an Herrn von Zaschwitz, er möge die Pferde zurückgeben. Doch als Kohlhase bei dem adligen Herrn erschien, um seine Tiere zu bekommen, mochte der sie nur wieder rausrücken gegen eine saftige Geldsumme, weil er ja die Rösser inzwischen beköstigt hätte! Worauf Kohlhase wütend den Kopf zurückwarf und ohne Pferde verschwand. Erst mal.
Im Mai 1533 kam es zu einer Gerichtsverhandlung. Kohlhase forderte eine größere Summe für entstandenen wirtschaftlichen Schaden, da er nicht rechtzeitig in Leipzig angekommen war, Geld für die Pferde und eine Richtigstelllung des Vorwurfs, er sei ein Dieb.
Herr von Zaschwitz wollte nichts davon liefern und verlangte stattdessen neue Futterkosten für die Pferde, inzwischen noch viel mehr.
An dieser Stelle schien der Kaufmann zu resignieren. Er sagte die Zahlung zu, bekam die Tiere zurück – und traute seinen Augen nicht. In dem knappen halben Jahr bei Junker Zaschwitz waren beide restlos abgemagert, verwahrlost und derart ungepflegt, dass eins am Tag darauf einging. Worauf Kohlhase die ‚Futterkosten‘ nicht bezahlte. Worauf Herr von Zaschwitz völlig beleidigt war und überhaupt nicht mehr verhandeln wollte.
Das war offenbar der Moment, in dem Hans Kohlhase Dunkelrot sah. Weil er kein Recht bekam, fing er nun Krieg an, ‚Fehde‘ nannte sich das und war bis vor Kurzem sogar rechtens gewesen – neuerdings jedoch verboten. Er bekriegte nicht nur Zaschwitz, sondern gleich das ganze Land Brandenburg und Sachsen, in dem man ihm sein Recht verweigerte. Von nun ab war er nicht mehr Kaufmann, sondern eine Art Räuber. Juristisch ausgedrückt beging er Landfriedensbruch. Er sammelte die entsprechende Gesellschaft um sich, nahm Geiseln, erpresste Lösegeld und steckte dies und das in Brand, manchmal ein ganzes Dorf.
An dieser Stelle mischte sich Martin Luther höchstpersönlich ein. Er schrieb Hans Kohlhase einen Brief, in dem er meinte, man könne ja durchaus im Recht sein, doch sei es der falsche Weg, sich sein eigenes Recht mit Sünden oder Unrecht zu besorgen: „Unrecht wird durch ander Unrecht nicht zurecht bracht!“ Und man sollte doch um des Friedens Willen lieber an Gut und Ehre selbst Schaden nehmen, als anderen Schaden zuzufügen.
Inzwischen machte die Obrigkeit Jagd auf den Räuber (oder Rächer) Kohlhase. Weil sie ihn selber nicht erwischten, verhafteten und folterten sie andere Personen, die der Komplizenschaft verdächtigt wurden. Zwischen 30 und 40 seiner eventuellen – oder auch nicht – Gefährten wurden bis 1539 hingerichtet. Derweil plünderte, entführte und erpresste Kohlhase, dessen Wut so immer neue Nahrung fand, weiter, legte gern größere Brände und nahm vor allem Rache für seine getöteten Gefährten.
Im Winter 1540 überfiel der trotzige Ex-Kaufmann mit seiner Bande einen Silbertansport des Kurfürsten von Brandenburg, Joachim II. Das hätte er bleiben lassen sollen. Der Kurfürst war chronisch überschuldet, benötigte das Silber dringend selbst und wurde nun seinerseits ernsthaft böse. Innerhalb kürzester Zeit schnappte die Obrigkeit Räuberhauptmann Kohlhase. Leider bekam man bei den folgenden Verhören seiner Komplizen auch noch heraus, dass Hans gerade geplant hatte, den Kurfürsten selbst zu entführen!
Im März 1540 fand der große Prozess gegen den Landesfeind Kohlhase statt. Er verteidigte sich selbst und hielt eine mehr als drei Stunden dauernde Rede, in der er darlegte, wie Recht er hatte. Ergebnis: Verurteilung zum Tode sowie ziemlich schnell erfolgende Hinrichtung.
Glücksfaktor: Wenn man es – nicht immer, aber eben manchmal – einfach gut sein lassen kann …