Am 22. März 1599 wurde Anthonis van Dyck geboren


Er war ein flämischer Barockmaler, ziemlich berühmt schon zu seiner Zeit, wenn auch (lebenslang) im Schatten von Peter Paul Rubens. Dabei beeindruckte Anthonis bereits im zartesten Alter durch sein Talent.

1614, mit vierzehn Jahren, malte er sich selbst in Öl – ein forschender Blick der olivbraunen Augen, Wangen und Mund noch fast kindlich, die Nase bereits markant und männlich.

Ein Anfangs-Widder mit gigantischem Ego, unbedingt gewillt, der Erste zu werden – und bis zum Schluss der Zweite. Hätte es diesen Rubens (zweiundzwanzig Jahre älter) nicht gegeben,

Peter Paul Rubens

dann wäre Anthonis der größte Maler seiner Zeit gewesen …

Mit 16 führte er in Antwerpen seine eigene Werkstatt, und das war nicht legal; ihm fehlte eigentlich noch der nötige Meistertitel. Zu dieser Zeit machte sein Vater, ein Tuchhändler, gerade Pleite und ein nettes Mädchen erwartete ein Kind von dem produktiven Jüngling. Es musste dringend Geld ins Haus. Van Dyck erfuhr, dass Rubens einen Schüler und Assistenten suchte. Er schluckte erstmal seinen Stolz hinunter, bot seine Dienste an und wurde akzeptiert.

Peter Paul Rubens dominierte die flämische Barock-Malerei, indem er den Nerv des Publikums traf mit dramatischen Riesenschinken in der Art späterer Sandalenfilme – biblische oder geschichtliche Themen mit Blut, Gewalt, Gekreisch und viel rosigem nackten Fleisch. (Hier zum Beispiel der Kindermord von Betlehem)

Es dauerte nicht lange, und Peter Paul bemerkte die Genialität des neuen Schülers (er nannte ihn selbst, immerhin, seinen ‚besten‘). Reiche Kunden begannen, interessiert die Werke des jungen Mannes im Atelier von Rubens zu bestaunen, der sich Mühe gab, den großen Meister pinselstrichgenau zu kopieren. Und dann stellten sowohl er selbst als auch die Betrachter fest, dass er beinah besser wurde als sein Vorbild.

Anthonis van Dyck: Christus wird mit Dornen gekrönt

Rubens merkte es schließlich auch, und es gefiel ihm überhaupt nicht. Er verbot dem begabten Gehilfen kurzerhand die szenischen Bilder. Er sollte sich auf Portraits konzentrieren und ihm die Monumentalgemälde überlassen. Die seien seine Sache. Portraits, muss man dazu wissen, besaßen nicht denselben Stellwert und galten als etwas minderwertigere Gebrauchskunst.

Diesmal schluckte Anthonis seine Wut hinunter. Er malte fortan vor allem Portraits und beinah nichts als Portraits. Er nutzte seine Beobachtungsgabe und eine ganz besondere Fähigkeit, Menschen gleichzeitig so ähnlich wie möglich – aber auch so attraktiv wie möglich abzubilden. Er wurde zum bedeutensten und begehrtesten Portraitisten seiner Zeit.

Hier, als Beispiel, ein Gemälde der englischen Königin Henrietta Maria. Sie hatte eine etwas verwachsene Schulter, ungleiche Augen und einen Riesenrüssel. Der anerkannte Hofmaler Peter Lely hatte sich mit dieser Nase alle Mühe gegeben – was rauskam, sah trotzdem nur so aus:

Anthonis van Dyck hingegen knöpfte sich die Königin vor und machte, aus derselben Perspektive, folgendes daraus:

Kein Wunder, dass er Henrietta Maria daraufhin noch sehr viel öfter malen durfte. (Ungefähr 30 mal.)

Im Alter von 21 Jahren hatte er seine Vaterstadt verlassen, vermutlich im Gefühl, dass sie etwas zu klein war für zwei derart geniale Pinsler. Er segelte nach England und (immerhin im 30jährigen Krieg!) nach Italien und verewigte die Schönheit, die Eleganz und den Prunk der großen Gesellschaft. Er malte Könige und Hofdamen und deren Kinder, Mätressen und die

hohe Geistlichkeit, und wie in einer Art diskretem Photoshop bekam er es hin, dass sich seine Modelle endlich mal wirklich gut getroffen fühlten. Das Geschäft ging hervorragend für den jungen Mann. Er kleidete sich mit größter Eleganz, wohnte erlesen, hielt sich eine Heerschar von Dienern und Hauspersonal und macht immer noch mal gern ein kleines Selbstportrait.

 

Einen Versuch, Rubens zu übertrumpfen, unternahm er noch. 1627 kam er nach Antwerpen zurück und fertigte wie besessen biblische und mythologische Gemälde an, jetzt nicht mehr im Dienst des anderen Meisters, sondern selbst Meister und berechtigt, zu malen, was er wollte. Seine Bilder wurden bedeutend weniger pompös und pathetisch, seine Heiligen und Märtyrer sind manchmal fast ironisch verfeinert. Vielleicht deswegen erhielt er von den kirchlichen Auftraggebern kaum ein Fünftel von Rubens‘ Honorar … 

Fünf Jahre später verlangte der englische König, Charles I., wieder nach ihm. Van Dyck reiste, nach dem Disaster in seiner Heimat, zurück nach England und verlieh dem Adel nie gekannte Schönheit. Woraufhin der geschmeichelte König den Maler selber adelte.

Charles I. aus drei Perspektiven, gemalt von Anthonis van Dyck.

Außer Portraits malte der nagelneue Sir Anthony jetzt hauptsächlich wunderschöne Landschaftsaquarelle. Und nachdem er selbst zum Adel gehörte, heiratete er eine junge Hofdame der Königin, Mary, eine Schottin. Da war er schon 40 Jahre alt, und sehr viel mehr Zeit blieb ihm nicht auf Erden.

Im Mai 1640 starb sein großer Konkurrent Rubens, übrigens als Millionär. Der hatte, bevor er starb, im Pariser Louvre damit angefangen, eine der Hauptgalerien zu gestalten. Nun wurde ein Künstler gesucht, der die Aufgabe vollenden konnte. 1641 reiste van Dyck mehrmals nach Paris, zuletzt im November, und bewarb sich darum. Doch den Auftrag, warum auch immer, bekam ein anderer Maler.

Das muss ihn zutiefst enttäuscht haben. Er wurde krank, schwer krank, und er sah zu, dass er wieder nach England zurückkehrte, das er inzwischen als seine Heimat betrachtete. Hier hatte man ihn wenigstens gewürdigt.

Anderthalb Jahre nach Peter Paul Rubens starb Anthonis van Dyck, erst 42 Jahre alt. Seine junge Frau hatte ihm acht Tage zuvor eine kleine Tochter, Justina, geschenkt. Am Tag von Justinas Taufe, dem 9. Dezember 1641, verließ der geniale Maler die Welt. In seinem Testament hatte er bestimmt, in englischer Erde begraben zu werden …

Glücksfaktor: Auch mal Erster sein zu dürfen.

 

 

 

 

 

 

 

 


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