Am 24. Februar 1942 wurde die Struma versenkt


Niemand wollte das Schiff haben, nirgends durfte es hin. Es sollte 760 jüdische Flüchtlinge nach Palästina transportieren. Eine zionistische Organisationen hatte in den Laderäumen des 60 Jahre alten Motorschiffes mehrstöckige Holzpritschen sowie Wassertanks und Toiletten eingebaut.

Zunächst wurden die Flüchtlinge von Rumänien nach Istanbul gebracht, von dort sollte es über’s Mittelmeer nach Israel gehen. Alles keine gewaltigen Strecken, weshalb es an Bord kaum Vorräte gab. (Und übrigens auch keine Rettungsboote oder Schwimmwesten.)

Doch bereits die Fahrt nach Istanbul dauerte mehr als drei Tage, weil der Motor immer wieder aussetzte – bis er endgültig nicht mehr funktionierte.

Anschließend führten die türkische Regierung, die britische Regierung (unter deren Verwaltung das Völkerbundsmandat für Palästina damals stand) und die Jewish Agency for Israel zweieinhalb Monate lang angeregte Gespräche darüber, was mit dem gelähmten, mit Menschen vollgestopften Schiff passieren sollte.

Die Briten mochten die Leute wegen fehlender Visa nicht in Palästina einreisen lassen.

Die Türken verboten einen Landgang, weil  sie fürchteten, anschließend die Flüchtlinge am Hals zu haben und nicht mehr los zu werden.

Inzwischen besserte sich  die Versorgungslage nicht im geringsten – Nahrungsmittel wurden keineswegs in befriedigendem Ausmaß geliefert. Dafür verschlimmerten sich die hygienischen Verhältnisse von Tag zu Tag, es gab bereits die ersten Fälle von Ruhr.

Der Kapitän bemühte sich verzweifelt, bei wem-auch-immer Interesse für die menschenunwürdigen Zustände an Bord zu erregen und wies auf die komplette Seeuntüchtigkeit der Struma hin.

Schließlich ging es nur noch um die Frage, ob wenigstens alle unter-11jährigen Kinder nach Palästina gebracht werden dürften. Doch dann setzte die englische Regierung durch, dass die Struma aus dem Istanbuler Hafen entfernt wurde wie eine Klette aus dem Pelz, durch einen energischen kleinen Schlepper, der sie auf’s Schwarze Meer zog. Außerhalb der türkischen Hoheitsgewässer drehte der Schlepper ab und überließ das hilflos umherdümpelnde Motorschiff seinem Schicksal.

Morgens zwischen drei und vier Uhr wurde die Struma durch ein sowjetisches U-Boot-Torpedo versenkt. Es war, als würde man einen sitzenden Hund erschießen.

791 Flüchtlinge und Besatzungsmitglieder starben.

Ein neunzehnjähriger Flüchtling überlebte, an ein Wrackteil geklammert. Er wurde am nächsten Tag aus dem eiskalten Wasser gefischt. Bis dahin  durfte er beobachten, wie alle andere Schiffbrüchigen nach und nach erfroren und versanken…


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