Am 27. Mai 1707 starb die Marquise de Montespan


Sie war die Mätresse des französischen Königs Ludwig XIV. – nicht irgendeine, da gab es viele – sondern die offizielle Mätresse.

Was bedeutete, sie besaß großen Einfluss bei Hofe! Wenn sie einen Raum betrat, mussten nahezu alle anwesenden Personen aufstehen – bis auf den König und die Königin, versteht sich.

Madame de Montespan wohnte im Schloß in einem eigenen Apartment, das aus beiläufig zwanzig Räumen bestand. Sie hatte mit dem König sieben Kinder. Das erste starb  früh, aber die anderen legitimierte Ludwig, versah sie mit entsprechenden Titeln und verheiratete sie erfolgversprechend. 

Da sich die Marquise also in einer Art Dauerzustand froher Hoffnung befand und zwischendurch allmählich etwas molliger blieb – und das in einer Zeit, die modisch enggeschnürte Wespentaillen verlangte – kreierte sie eine eigene Mode, die ‚Robe Battante‘, bei der sie Stoff und Rüschen, vor allem hinterwärts, großzügig umflatterten. Schließlich galt dieser Stil sogar als besonders erfolgsträchtig, denn mit jeder Schwangerschaft festigte sie ja ihre Stellung.

Allerdings dauerte das natürlich nicht endlos. Einige hundert adelige Schönheiten hockten in den Startlöchern, um Madame de Montespan abzulösen. Etwas, das sie entsprechend nervös machte. Die Zeit vergeht auch für die Erfolgreichen. Irgendwann war Madame Mitte, Ende dreißig und der König, der schließlich ihr und der Königin nie soweit treu gewesen war, dass er sich eine appetitliche Gelegenheit entgehen ließ, begann eine Affäre mit einem entzückenden siebzehnjährigen Mädchen und machte den Eindruck, dass er sich damit gern länger aufhalten wollte.

Die Marquise benötigte machtvolle Verbündete, um ihren Status zu behaupten. Sie versuchte es mit dem Teufel. Der war zufällig ein guter Bekannter einer Nachbarin – DER Nachbarin aller Bedürftigen. Sie hieß Catherine Monvoisin, wurde jedoch meistens La Voisin genannt, ‚die Nachbarin‘ eben. La Voisin war ungemein hilfreich. Sie stellte Horoskope, legte die Karten, farbrizierte Liebestränke und verhinderte unerwünschte Schwangerschaften.

Bei Bedarf ging sie auch noch weiter. Sie stellte Gift zur Verfügung, um Erbschafts- oder andere Angelegenheiten zu regeln und sie veranstaltete – gemeinsam mit einem guten Freund, dem aus dem Priesteramt geworfenen Abbé Guibourg – schwarze Messen, bei denen Säuglinge getötet wurden. Die hatte sie jederzeit zur Hand, unerwünschte Kinder nicht nur von Prostituierten. Als alles aufflog, wurden in ihrem Garten massenhaft winzige Schädelchen und Knochen ausgebuddelt.

Madame de Montespan war eine entschlossene Person, bereit, mit vollem Einsatz zu kämpfen. Hier ging es schließlich um Höheres. Falls Ludwig bei diesem blutjungen Mäuschen blieb, dann würde demnächst niemand mehr aufstehen, wenn die ehemalige offizielle Geliebte den Raum betrat.

Die Marquise legte sich also, nicht zimperlich, unbekleidet auf den Tisch der schwarzen Messe, sie bildete gewissermaßen den Altar, nahm eine geweihte Hostie zu sich … Wie soll ich sagen, nicht oral, und gab sich dem Stellvertreter Satans hin, vermutlich Abbé Guibourg. Es wurde von Zeugen der Zeremonie auch erzählt, bei dieser Gelegenheit sei ein Baby über ihr geschlachtet und der Körper der Marquise mit seinem Blut begossen worden. Doch das waren unter der Folter geäußerte Schilderungen, wer weiß, wie glaubhaft? 

Montespans Forderungen an die Unterwelt lauteten, Ludwigs Favoritin zu bleiben – und der Tod  seiner neuen jungen Mätresse. Die starb dann auch ziemlich plötzlich, nach einer Totgeburt, von  der sie sich nicht erholte. Und was die Gunst des Königs anging, da wirkten die Liebestränke. Zwar bekam er regelmäßig Kopfschmerzen  (‚zu Risiken und Nebenwirkungen befragen Sie die Hexe Ihrer Geliebten‘), doch er blieb der Marquise einstweilen gewogen, obwohl ihre Oberschenkel, wie Ludwigs Biograf schrieb, allmählich den Umfang einer Männertaille annahmen.

1675 erfuhr Frankreichs Polizeichef, La Reynie, von einem Priester, dass Mitglieder des hohen Adels seit einer Weile die erstaunlichsten Sachen beichteten.

 Gabriel Nicolas de La Reynie (1625-1709) Lieutenant General of Police of Paris during the reign of Louis XIV. Private Collection. (Photo by: Christophel Fine Art/UIG via Getty Images)

La Reynie, ein gewitzter Zwillinge-Mann, nahm sich der Sache an und begann, zu recherchieren. Das dauerte Jahre und brachte immer Schlimmeres zutage. Unter anderem, dass die dem König beigebrachten Tränke Menstruationsblut, Krötenaugen und Fledermausblut enthalten hatten.

La Voisin, stellte sich heraus, war keineswegs die einzige, wenn auch wohl die größte Hexe von Paris. Außerdem schien sie eine Art Massenmörderin zu sein. Es gab 360 Verhaftungen, 218 Verhöre (davon etliche unter der Folter, woran zwei der Verdächtigen starben) und 110 Verurteilungen. 36 Personen tötete der Scharfrichter mit dem Schwert oder auf dem Scheiterhaufen, letzteres geschah vor allem mit La Voisin und anderen Hexen.

Und Madame de Montespan? Das war nicht so einfach. Zwar wurde dem König im Verlauf der Aufdeckung dieser satanischen Zirkel und der tatkräftigen Mitwirkung seiner langjährigen Favoritin klar, woher seine jahrelangen Kopfschmerzen kamen. Aber diese Frau konnte er nicht einfach auf den Scheiterhaufen verfrachten – eigentlich noch nicht mal aus dem Schloss schicken. Sie war schließlich die Mutter seiner anerkannten, geadelten Kinder. Immerhin blieb der Hofstaat bei ihrem Eintritt neuerdings sitzen. Madame musste auch das 20-Zimmer-Apartment aufgeben und wurde etwas bescheidener im Erdgeschoss einquartiert. Und da sie ihm keine Tränke mehr verabreichte, verlor Ludwig zweierlei: seine Liebe zu der Marquise  – und sein Kopfweh.

Glücksfaktor: Klarheit.

 

 

 

 

 

 


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