Foto: Texas Department of Criminal Justice, 1984
Sie hatte mindestens einen, möglicherweise auch zwei Menschen mit einer Spitzhacke umgebracht.
Als das geschah, war Karla Mitte zwanzig und bereits ziemlich am Ende.
Geboren 1959 in Houston in einer zerrütteten Familie. Raucherin, seit sie acht war. Scheidung der Eltern, als sie zehn war – dabei erfuhr Karla, dass ihr Vater nicht ihr Vater war. Mit Sex und Drogen fing sie im Alter von 12 Jahren an. Rock’n Roll kam bald dazu, denn ihre Mutter Carolyn, Gelegenheits-Prostituierte und Rock-Groupie, holte ihre Tochter, die mit 14 die Schule abbrach, in die Szene. Eine Weile reisten Mutter und Tochter gemeinsam mit der Allman Brothers Band, den Eagles oder der Marshall Tucker Band auf einigen Tourneen herum.
Mit 16 war Karla kurz mit einem Handwerker verheiratet. Danach wandte sie sich der Biker-Szene zu und wurde heroinabhängig. An einem Wochenende im Juni 1983, das sie mit Freunden und Drogen verbracht hatte, kam gegen 3:00 Uhr morgens die Idee auf, einem anderen Biker, Dean, das Motorrad zu klauen.
Zu dritt – ihr derzeitiger Freund Garrett und ein Kumpel – brachen sie in das Apartment ein, in dem der Motorradbesitzer schlief. Der Kumpel kümmerte sich schon mal um das Bike, während die beiden anderen sich in Deans Schlafzimmer begaben. Hier setzte Karla sich auf den Schlafenden, der sich wehrte, was ihrem Freund missfiel. Er schnappte sich einen auf dem Boden liegenden Hammer und schlug damit dem Überfallenen den Schädel ein. Danach verließ er den Raum, um sich dem Motorrad zu widmen. Karla sollte bleiben und auf ihn warten. Weil jedoch das Opfer beim Sterben laute Röchelgeräusche von sich gab, was ihre Nerven strapazierte, griff sie sich eine an der Wand lehnende Spitzhacke und schlug ihm damit so lange auf den Rücken, bis das Geröchel aufhörte. Laut unterschiedlicher Angaben von ihr und ihrem Freund kam Garrett dann noch einmal ins Schlafzimmer zurück und versetzte Dean den letzten, tödlichen Schlag – oder auch nicht. Jedenfalls verschwand er anschließend erneut.
Danach erst bemerkte Karla, dass sich eine weitere Person im Raum befand, unter der Bettdecke, ganz hinten an der Wand. Das war eine Frau, die nach einem Ehekrach mit ihrem eigenen Mann die Nacht unglücklicherweise in Deans Bett verbrachte. Es gab einen kurzen Kampf zwischen den beiden Frauen, doch es war Karla, die eine Spitzhacke in der Hand hielt. Sie rammte der Frau das Werkzeug ins Herz.
Später erzählte Karla, dass sie bei jedem Schlag multiple Orgasmen erlebt hätte. Diese Bemerkung machte sie sehr unbeliebt und trug vermutlich zu ihrem Todesurteil bei.
Einige Wochen nach den Morden und einigen polizeilichen Ermittlungen wurden Karla und Garrett verhaftet. Kurz danach geriet der jungen Frau im Gefängnis eine Bibel in die Hände, worauf sie sich sofort auf den Boden kniete und Gott, mit dem sie bis dahin nicht viel zu tun gehabt hatte, um Vergebung bat. Sie wurde auf der Stelle Christin. (Und heiratete ungefähr zehn Jahre später einen Gefängnispfarrer.)
Nichtsdestotrotz wurden sowohl sie als auch Garrett 1984 zum Tode verurteilt. Da man Urteile dieser Art im 20. Jahrhundert nicht mehr so hastig vollzog, landeten beide zunächst für Jahre im Todestrakt ihrer jeweiligen Gefängnisse, um auf die Hinrichtung zu warten. Garrett starb allerdings 1993 an einem Leberleiden. Karla hielt 14 Jahre lang aus, bis es so weit war,
Da Frauen bei weitem nicht so oft getötet wurden wie Männer und weil es sich herumsprach, wie unglaublich fromm Karla geworden war, entstand eine gigantische nationale und internationale Bewegung, die sich dafür einsetzte, ihre Todesstrafe in ein Lebenslänglich umzuwandeln. Es gab immer wieder Anträge, das Verfahren neu aufzunehmen, unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die während der Taten unter Drogeneinfluss gestanden hatte und jetzt ein völlig anderer Mensch sei. Vertreter der Vereinten Nationen, Italiens Premierminister Prodi, der Bruder des Mordopfers – und sogar Papst Johannes Paul II. baten um Karlas Leben. Der Gefängnisdirektor erklärte, sie sei die vorbildlichste Gefangene und absolut reformiert.
Das nützte aber alles nichts. Einige Stunden vor der Hinrichtung wurde der letzte Einspruch abgelehnt, vom texanischen Gouverneur George W. Bush.
Am 3. Februar 1998 verspeiste Karla ihre Henkersmahlzeit: eine Banane, einen Pfirsich und einen Gartensalat mit Ranch-Dressing (das ist eine Salatsauce aus saurer Sahne, Buttermilch, Mayonnaise, Zwiebel und verschiedenen Kräutern). Dann sprach sie ihre ‚letzten Worte‘, eine Art kleiner Predigt, in der sie alle um Verzeihung bat, allen vergab und sich darauf freute, Jesus gleich persönlich zu begegnen.
Karla bekam eine Injektion und war acht Minuten später tot.
Ein Fernsehmoderator fragte Gouverneur Bush später, was ihn bewogen habe, das Gnadengesuch abzulehnen. Als Antwort erhielt er ein Grinsen und einige spöttische Bemerkungen. Karla hätte halt das mit den multiplen Orgasmen nicht sagen sollen. Manchmal hängt viel an einigen kleinen Worten.
Glücksfaktor: keine Drogen zu benötigen. Es muss jedoch auch gesagt werden, dass es unklug ist, zu viel Werkzeug im Schlafzimmer aufzubewahren …