Am 3. März des Jahres 1500


bekam Margaret Pole, die Gräfin von Salisbury, ihr viertes Kind, einen reizenden kleinen Jungen, rosig und pausbäckig. Es war keine leichte Geburt gewesen, und sie lag erschöpft, aber glücklich da, das Kerlchen im Arm. Sie würde ihn Reginald nennen. Einige Jahrzehnte später sollte sie sagen, sie wünschte, sie hätte ihn nie geboren.

Margaret war keine besonders hübsche Frau; viel zu groß für ein Weib und mit langem, strengem Gesicht. Doch sie war klug und charakterstark – eine nahe Verwandte übrigens des Königshauses, und das war damals eine gefährliche Angelegenheit. Ihren Vater und einen ihrer Brüder hatte man bereits hingerichtet, wegen irgendwelcher Intrigen.

Margarets beste Freundin war Katharina von Aragon, eine spanische Prinzessin. Die war zuerst mit dem englischen Thronfolger Arthur und nach dessen Tod mit seinem jüngeren Bruder Heinrich verheiratet. Da der – als Heinrich der Achte – auf den englischen Thron kam, wurde Katharina Königin. Das blieb sie 22 Jahre lang. Und obwohl es bekanntlich kein besonderer Spaß war, mit diesem Mann verheiratet zu sein, schöpfte sie vielleicht noch die Sahne ab, denn zunächst und über lange Strecken galt die Ehe des Königspaars als glücklich. Margaret wurde die Taufpatin der einzigen Tochter von Königin Katharina und später ihre Gouvernante.

Doch dann verliebte sich Heinrich ernsthaft in Anne Boleyn und versuchte mit zunehmender Verzweiflung, seine Gattin abzuschütteln, was ihm endlich gelang, indem er die englische Kirche reformierte und sich selbst zu ihrem Oberhaupt machte. Margaret stand der Königin in diesen harten Zeiten bei – was dem König wenig gefiel.

Solange Heinrichs neue Frau Anne neben ihm auf dem Thron saß, hatte die Gräfin von Salisbury am Hof nichts zu suchen. Aber es dauerte ja nur drei Jahre, bis Anne den Kopf verlor und einer noch neueren Königin Platz machte. Da nahm man Margaret in Gnaden wieder auf. Zumindest ein kurzes Weilchen.

Denn inzwischen war ihr rosiges Söhnchen Reginald, das Theologie studiert hatte, zu einem überaus bärtigen Herrn geworden und der letzte römisch-katholische Bischof von Canterbury.

Eigentlich hätte Reginald Pole Erzbischof von York werden sollen, doch das lehnte er unter diesen neuen Umständen entrüstet ab und zog nach Italien um. Er war begreiflicherweise wenig begeistert von der plötzlich protestantischen Kirche Englands und verzichtete auch darauf, aus seinem Herzen eine Mördergrube zu machen. Vielmehr empörte er sich laut und ausführlich über diese Schweinerei. Das konnte er ja auch von Italien aus gern machen, weit weg vom Beil des Henkers. Er sprach Heinrich VIII. jedes Recht ab, Oberhaupt welcher-Kirche-auch-immer zu sein und regte sich nochmal rückblickend über die Scheidung des Königs von seiner ersten Frau auf.

Nun war Heinrich im Zeichen des Krebses geboren. Und Krebse sind, wenn sie nicht aufpassen, furchtbar leicht zu kränken.

Der englische König passte nicht auf und geriet in genau die heilige Wut, die ihm seiner Ansicht nach sehr wohl zustand. Da er Reginald selbst nicht zu packen bekam (obwohl er einen Preis auf seine Ergreifung ausgesetzt hatte) ließ er dessen Mutter in den Tower werfen. Sie wurde im Alter von 67 Jahren geköpft, angeblich, weil einer ihrer anderen Söhne, Henry, in einen geplanten Aufstand verheddert gewesen sei. (Und Henry wurde auch abgemurkst, versteht sich.)

Die Hinrichtung der Gräfin von Salisbury artete leider zu einer schrecklichen Schlachterei aus. Der junge, unerfahrene Henker hackte ‚in stümperhafter Art‘, wie Augenzeugen berichteten, auf die arme Margaret ein und traf zwölfmal nur Rücken, Kopf und Schultern, bis die Ärmste endlich tot war.

Als man Kardinal Pole den furchtbaren Tod seiner Mutter schilderte, erklärte er, er sei stolz darauf, nun der Sohn einer Märtyrerin zu sein. Acht Jahre später wäre er übrigens beinahe Papst geworden, ihm fehlten im Konklave nur wenige Stimmen.

Ein anderer Papst, Leo XIII., sprach Margaret tatsächlich selig, fast 350 Jahre später. Ihr Gedenktag ist am 28. Mai.

Glücksfaktor: Die heutigen Könige sind meistens machtloser …

 


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