Am 31. März 1855 starb Charlotte Brontë


Sie war die älteste der drei Schwestern aus Haworth in Yorkshire, die 1847 ihre Romane unter Männernamen veröffentlicht hatten. Anne, die jüngste, schrieb ‚Agnes Grey‘, den Roman einer Gouvernante (gespeist aus eigenen Erfahrungen) unter Acton Bell – Emily, die mittlere, ‚Wuthering Heights‘ (Inzwischen ein Klassiker der Weltliteratur) als Ellis Bell – und Charlotte ihr (mehr als 25 mal verfilmtes) ‚Jane Eyre‘ unter dem Namen Currer Bell.

by George Richmond, chalk, 1850

Über die Autoren der drei Romane wurde unter Lesern und Kritikern viel gerätselt, unter anderem nahm man an, es handle sich eventuell um einen einzigen Schriftsteller. Dass allerdings drei FRAUEN, und auch noch – ausgerechnet! – Pastorentöchter aus der Provinz sich diese für damalige Begriffe ungewöhnlich leidenschaftlichen Geschichten ausgedacht hatten, war, als es kurze Zeit später herauskam, eine Sensation.

Alle drei Mädchen, bereits um 30 und unverheiratet, galten damals als alte Jungfern. Zwei von ihnen, Emily und Anne, bezogen tatsächlich ihre gesamten romantischen (und unterschwellig durchaus erotischen) Romanverwicklungen allein aus ihrer Phantasie, in Ermanglung jeder entsprechenden wirklichen Erfahrung.

Charlotte, absolut nicht die hübscheste, aber die erdhafteste, verfügte immerhin über eigene Erfahrungen, was die Liebe betraf. Grässliche Erfahrungen. Sie war 1842 mit Emily nach Brüssel gereist, um ihre französischen Sprachkenntnisse zu vervollkommnen – denn damals träumten die Brontë-Schwestern noch davon, eine kleine Schule für junge Mädchen zu gründen.

Und dann passierte es ihr, dass sie sich in ihren Lehrer verliebte, Monsieur Heger, einen Familienvater, der vielleicht ein klein wenig mit ihr flirtete, der ihre Intelligenz erkannte und sich gern Wortgefechte mit ihr lieferte. Der jedoch nicht im Traum daran dachte, sich ihretwegen womöglich von seiner Frau, der Besitzerin der Schule und Mutter seiner Kinder, zu trennen. Der Charlotte wahrscheinlich kaum als Frau wahrnahm. Höchstens ein bisschen.

Doch dieses Bisschen reichte Charlotte, um eine ganz große Liebe zu entflammen. Längst wieder in England, in dem einsamen Pfarrhaus in Yorkshire, schrieb sie ihm Dutzende von Briefen, in denen sie sich demütigte und verzweifelt um ein gutes Wort bat, mehr, meinte sie, brauche sie nicht.

Er war klug genug, nicht zu reagieren. Er zerriss die Briefe und warf sie in den Papierkorb. Madame Heger, seine Frau, angelte sie wieder heraus und nähte sie geschickt zusammen (Tesafilm gabs noch nicht), dadurch kennt die Nachwelt wenigstens einige von ihnen.

Charlotte muss unendlich an dieser Liebe gelitten haben, an der ungestillten Sehnsucht, an der Enttäuschung, jedesmal, wenn der Postbote nichts aus Brüssel brachte. Sie arbeitete Hegers Charakter, seine Eigenschaften, sein Aussehen in ihre Romanhelden ein und konnte jedenfalls so mit dem Schulmeister eine Art  Erfüllung erleben.

Inzwischen starben innerhalb kürzester Zeit ihre Schwestern, beide an Lungentuberkulose. Emily im Dezember 1848. Anne im Mai des folgenden Jahres. 

Charlotte war die einzige, die noch Erfolg und Ruhm erleben durfte, die noch weitere Bücher schrieb, mit der andere bekannte und berühmte Autoren gern Kontakt aufnahmen.

Und es war ihr sogar vergönnt, zu heiraten. Ein Hilfsgeistlicher, Arthur Bell Nicholls, der für ihren Vater arbeitete, hatte sich in sie verliebt und ließ sich über Jahre weder abweisen noch entmutigen, obwohl ihr Vater ihn praktisch aus dem Haus warf und Charlotte selbst ihm mitteilte, sie könne ihm leider keine Hoffnung machen. Schließlich erlebte sie, wie er an ihrer Gartenpforte laut und jammervoll weinte. Vielleicht  erinnerte sie das an ihren Kummer um Monsieur Heger.

So gab sie ihm ihr Jawort, ungeachtet von Vaters Empörung, der sich sogar weigerte, sie am Altar diesem ‚Spinner‘ zu übergeben. Die Ehe wurde am 29. Juni 1854 geschlossen.

Charlotte, die vorher häufig an Migräne und Depressionen gelitten hatte, fühlt sich körperlich und geistig gesünder als jemals vorher. Dann wird sie schwanger. Und nachdem es ihr damit zunächst gut geht, leidet sie mehr und mehr an quälendem, unstillbarem Erbrechen. Sie wird sehr elend und kann nur noch im Bett liegen. Kurz vor ihrem Tod sagt sie zu ihrem Mann: „Oh, ich muss doch nicht sterben? Gott wird uns doch nicht trennen? Wir waren so glücklich miteinander …“

Charlotte Brontë stirbt am 31. März 1855, neununddreißig Jahre alt, neun Monate nach ihrer Hochzeit.

Glücksfaktor: dass die tapferen Schwestern aus Haworth  zumindest einige phantastische Werke geschrieben haben in ihrem kurzen Leben …

 

 

 

 

 

 


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