Am 31. Oktober 1796 wurde Goethes Schwiegertochter geboren


Das war Ottilie von Pogwisch, und sie war manchen Leuten ein Ärgernis.

Von den fünf Kindern, die Johann Wolfgang von Goethe mit seiner (zunächst nur) Geliebten und (ziemlich spät dann doch) Ehefrau Christiane hatte, überlebte nur der Älteste, August. Der war dann bereits 17, als sein Vater sich entschloss, seine Mutter zu heiraten.

Christiane und August von Goethe, gemalt von Johann Heinrich Meyer 

Wie es häufig das traurige Schicksal von Sprösslingen ganz enorm genialer Väter ist, blieb der arme  August sein Leben lang Sohn. Das drückt sich sogar auf Augusts Grabstein aus, auf dem steht: GOETHE FILIUS – doch keineswegs sein eigener Vorname.

August von Goethe

Als der Goethe-Sohn 27 war, heiratete er die zwanzigjährige Ottilie. Das hätte er eventuell lieber lassen sollen. Glücklich machte es sie beide nicht. Er wurde immer trauriger und passiver, sie sehnte sich nach der einzig wahren, romantischen Liebe (die er definitiv nicht für sie war) und gönnte sich zahlreiche Affären.

Ottilie von Goethe

Derweil saß August betrübt in Gastwirtschaften und goss Wein auf seinen Kummer. Dabei muss gesagt werden, bereits seine Mama Christiane und sogar das überlebensgroße Universalgenie, Vater Goethe himself, konsumierten gern ein Schlückchen Wein. Wenn es sich ergab auch ein Schlückchen mehr. Christiane brachte das, durch beschädigte Nieren, in ein relativ frühes Grab: Sie starb mit 51 Jahren. Ihr Sohn August wurde nur 40. Er erlag in Italien einer fiebrigen Krankheit, (die einem Kutschenunfall folgte); nach dem Urteil der Ärzte jedoch vor allem seiner kaputten Leber. Der Einzige, dem das Saufen nicht zu schaden schien, war der große Dichterfürst.

Ottilie verstand sich recht gut mit ihrem Schwiegervater, der sie offenbar nicht so langweilte wie sein Sohn. 1829 gründete sie eine eigene Zeitschrift mit dem Namen CHAOS, in der eine Reihe berühmter Zeitgenossen schrieben. Sie war politisch interessiert und engagiert, sie liebte England und übersetzte gerne und gut englische Kulturbeiträge. Doch sie war auch als ‚mannstoll‘ verschrieen und galt als verantwortungslos. 

August und Ottilie hatten Vater Goethe drei Enkel beschert, die in seinem Haus aufwuchsen und an denen er seine Freude hatte. Das waren Walther Wolfgang und Wolfgang Maximilian sowie die kleine Alma.

Walther Wolfgang von Goethe, Lithographie, Foto: Peter Geymayer

 Wolfgang Maximilian von Goethe

Alma von Goethe

Auch die männlichen Enkel fühlten sich offenbar noch tief überschattet vom genialen Großpapa. Beide studierten Jura, (Walther komponierte ein bisschen), beide wurden in den erblichen Freiherrnstand der Stadt Weimar erhoben. Aber das galt wieder nicht ihnen selbst, sondern ihrem großen Namen. 

Beide Enkel heirateten nie und produzierten keine weiteren Goethe-Nachkommen. Darüber haben vergangenene Jahrhunderte diskret hinweggesehen. Im unserer Zeit durfte erforscht und verkündet werden, dass Walther Wolfgang und Wolfgang Maximilian höchstwahrscheinlich schwul waren. (Walther soll sogar eine Romanze mit Robert Schumann gehabt haben.) 

Johann Wolfgang von Goethe, das berühmte Genie, starb 1832, zwei Jahre nach seinem Sohn August. Nachdem seine Autorität fehlte, wurde die bereits vorher umstrittene Ottilie häufig offen angefeindet: Sie schien ihrer Zeit gar zu sehr voraus, sie schockierte und brüskierte und benahm sich selten, wie man es von einem anständigen Frauenzimmer erwartete. 

Sie selbst beurteilte sich in einem Brief: „Mit einem wilden, angeborenen Freiheitstrieb, war ich doch immer vollkommen Sklavin, wo ich liebte.“

Annette von Droste-Hülshoff und Bettina von Arnim gehörten zu denen, die ihren Schnabel an Ottilie wetzten und sich darüber ereiferten, dass die ständig nach Männern ‚hake und angele‘, dauernd  neu verliebt, dann auch noch in viel jüngere Männer!

Folgerichtig kam die Witwe Goethe ‚in Schande‘. Ein  englischer  Offizier hatte sie geschwängert. Sie flüchtete aus Weimar nach Wien, das ihr wegen seiner ‚Leichtlebigkeit‘ lieb war, und bekam in einem Hotel im Februar 1835 eine weitere Tochter, Anna, die kaum ein Jahr lang lebte. Der attraktive junge Arzt Romeo Seligmann, der Geburtshilfe leistete, wurde gleich darauf – zur Begeisterung der empörten Gesellschaft – Ottilies nächster Liebhaber.

Die zarte und anmutige Alma steckte sich mit 16 Jahren bei einem weiteren Besuch in Wien mit Typhus an und starb zwei Tage später an der Krankheit. Jetzt kamen Gerüchte auf, Ottilie hätte die Tochter vergiftet, um an ihr Erbe ranzukommen. Man traute ihr das Schlimmste zu.

Das leidenschaftliche, unbändige Herz von Goethes skandalöser Schwiegertochter versagte knapp vor ihrem 77. Geburtstag …

Glücksfaktor: Wenn einem ‚die Gellschaft‘ kreuzweise  im Mondschein begegnen kann.

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert