Vor fünfzig Jahren, am 8. November 1973, wurden die Überreste des Arbre du Ténéré ins nigrische Nationalmuseum nach Niamey gebracht.
Die Ténèrè-Wüste liegt im Niger in der südlichen Sahara. Ihr Beiname ist ‚Wüste der Wüsten‘. Früher gab es hier große Raubtiere wie Löwen und Wildhunde. Doch die sind in der Ténéré mit dem Beginn des 20. Jahrhunderts durch ‚heftige Bejagung‘ ausgerottet. Inzwischen existieren in der Wüste noch einige Gazellen, Kamele und Antilopen.
In einigen der Oasen wird Salz gewonnen und anschließend durch Karawanen abtransportiert. In der Ténéré herrscht extremes Wüstenklima, eine ganz besondere Trockenheit. Radiomoderatoren, die stündlich den Wetterbericht durchgeben, wären vor Wonne außer sich, wenn sie wieder und wieder ansagen dürften: „Mit Regen ist nicht zu rechnen!“
Schön warm ist es außerdem. Zwischen März und Juni erlebt der Wüstenbesucher die ‚heiße Jahreszeit‘, tagsüber gern mehr als 50° Celsius – das kühlt sich jedoch in der Nacht bis zur Grenze von Minusgraden ab. Zwischen Juli und August, in der kurzen Regenzeit, fallen pro Jahr ungefähr 30 Millimeter Niederschlag – manchmal jedoch, immer öfter, kein einziger Tropfen. Von September bis März, also im Winter, schwankt die Temperatur von 10° bis zu 29°, für Europäer erträglich. (Natürlich nur, wenn sie kurze Hosen tragen dürfen.)
Lebensfeindlich wirkt die Ténhéré, vielleicht ist das ja ihre Absicht. Vor vielen Tausenden von Jahren, lange vor Christi Geburt, zeigte sie sich lieblich, wasserreich, grün und blühend.
Aktuell sterben in ihr dreimal so viele Migranten wie im Mittelmeer umkommen. Sie wagen den Weg durch Sand und Hitze in der Hoffnung, zur Libyschen Küste und dadurch nach Europa zu gelangen, in diese wunderbare Gegend, wo keiner Angst zu haben braucht, wo keiner hungert oder bedroht wird.
Die Rallye Dakar war hier unterwegs, Motorsport unter erschwerten Bedingungen – bevor sie aus Sicherheitsgründen (es gab Terrordrohungen) 2020 nach Saudi-Arabien auswanderte.
Die südliche Piste der Rallye führte am Arbre du Ténéré, dem Baum der Wüste, vorbei. Er wurde oft der einsamste Baum der Welt genannt, der einzige im Umkreis von mehreren hundert Kilometern. Und weil er da so allein in die Gegend ragte, wurde er für die Menschen zu einem wichtigen Orientierungspunkt. Für den Motorsport, für die Flüchtlinge, für die Karawanen.
Es handelte sich um eine Schirm-Akazie, sicherlich die letzte Überlebende einer Baumgruppe, einer kleinen Oase.
1938 grub man neben dem Stamm einen Schacht in die Tiefe und konnte sehen, dass ihre Wurzeln den Grundwasserspiegel in 35 Meter Tiefe erreichten.
Ein Jahr später schrieb ein französischer Offizier, Michel Lesourd:
„Man muss den Baum sehen, um an seine Existenz zu glauben. Was ist sein Geheimnis? Wie kann es sein, dass er trotz der Kamele, die die Umgebung verwüsten, noch am Leben ist? Wie kommt es, dass bei jedem Azalai kein Kamel seine Blätter oder Knospen verschlingt? Warum schneidet keiner der Tuareg, die die Salzkarawanen führen, seine Äste ab, um Feuer für den Tee zu machen? Die einzige Antwort ist, dass dieser Baum ein Tabu darstellt und von den Karawanenführern als solches betrachtet wird.“
Aber der einsamste Baum der Welt steht nicht mehr. 1973 wurde er von einem betrunkenen LKW-Fahrer umgelegt.
Ich finde das so ungemein typisch für die Herren der Welt. In einer riesigen Wüste steht ein einziger Baum. Kilometerweit nichts als goldener Sand und flimmernde Hitze. Aber einer von uns muss unbedingt besoffen ankommen und dieses Wunder über den Haufen fahren.
Deshalb wurden die Baumreste, wie gesagt, in einem Militärfahrzeug ins Nigrische Nationalmuseum gebracht und sind dort in einem Pavillon zu betrachten.
Foto: Valérie and Michel Mazeau
Glücksfaktor: Zumindest wurde der würdevolle Veteran nicht einfach zu Feuerholz verarbeitet …