Das Kind beim Namen nennen (hoffentlich dem richtigen …)


Einige Jahrzehnte lang wurden in Deutschland die Kleinen eher kosmopolitisch gerufen: „Kevin, lass das! Chantal, hörst  du nicht? Fabienne, komm bitte hierher! Marvin, wo bist du?“ oder biblisch: „Noah, zieh deine Jacke an! Judith, möchtest du einen Apfel?“

Inzwischen sind wir bei guten alten deutschen Namen gelandet. Die Urenkel heißen wieder wie ihre Vorfahren: Kaspar, Heinrich, Fritz und  – „Fridolin, guck mal, das Feuerwehrauto!“  Alma, Hedwig, Bertha oder „Frieda, steck das nicht in den Mund!“

Was dafür spricht, dass in fünfzig, sechzig Jahren solche zurzeit höchst langweiligen Namen wie Heidi, Jutta, Inge und Sabine oder Jürgen, Dieter, Ralf und Uwe ausgesprochen Hip sein werden. Augenblicklich nennen die Menschen gern ihre Hunde so, weil das witzig ist: „Wollen wir Gassi gehen, Horst?“

Ganz früher war es ebenso witzig, Hunden römische oder griechische Namen zu geben: „Ajax, Fass! Cäsar, Pfui! Nero, wie spricht der Hund?“ Gerne auch Bello. Das war besonders ulkig, weil es gleichzeitig ‚der Schöne‘ hieß und außerdem auf Gebell anspielte. Haha. Kleine Hunde nannte man Fifi. Später wurden Hundenamen etwas mondäner, Sherry (gern für Pudel) Bijou oder Blacky.

Viele, viele Schäferhündinnen hießen Senta. Den Namen hatte gewissermaßen Richard Wagner erfunden, die Heldin seiner Oper Der fliegende Holländer ist eine Senta – wahrscheinlich Crezcenzia oder Vincencia – und nach der erfolgreichen Erstaufführung 1843 wurden eben vor allem Schäferhündinnen so genannt. Aber ab und zu auch kleine Menschen. 

So ähnlich verhält es sich mit dem Namen Ronja, nach Astrid Lindgrens Räubertochter. Eigentlich gab’s den Namen vorher nicht. Inzwischen existieren eine Menge Ronjas, gerade in Deutschland. Lindgren hat übrigens mit Sicherheit auch dazu beigetragen, dass Lasse und Bosse bei uns so beliebt für kleine Jungen geworden sind. Eigentlich handelt es sich dabei um die verschliffene Form der skandinavischen Namen Lars und Bo. 

Eine traurige Tatsache ist, dass die wenigsten Menschen mit ihrem eigenen Namen einverstanden sind. Vielleicht hören sie ihn zu oft. Er ist ihnen zu gewöhnlich oder zu ausgefallen, zu kitschig oder zu hart. Wenige, beherzte Seelen ändern ihn um. Andere retten sich in Kosenamen oder Verkürzungen.

Eine weitverbreitete Volksmeinung gerade in unserem Land geht davon aus, dass Kinder schweren seelischen Schaden erleiden durch einen außergewöhnlichen Namen. Besser, fünf Mias in einer Klasse als eine Viktoria oder Roxane. Man will ja nicht aus der Gemeinschaft rutschen. Manche Eltern sind bereits mit schweren Blessuren aus dem Standesamt gehinkt nach dem ergebnislosen Kampf mit einem Beamten, der ums Verrecken nicht zulassen wollte, dass Tochter Schröder Meleki getauft wird – mit der Begründung, das kenne er nicht. Eine gute Methode, ihn zur Räson zu bringen  dürfte sein, zu behaupten, so hieße die aus fernen Landen stammende Großmutter – verbunden mit der Frage, ob er Rassist sei?

Glücksfaktor: Man kann sich manchmal in einen Namen verlieben, bevor man den dazugehörigen Menschen kennt. Das kann aber auch zu einer Enttäuschung führen. Dann ist es natürlich kein Glücksfaktor mehr  …

 

 

 

 


Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert