Es ist anzunehmen, das etwas, was dieses Jahr unbedingt entschieden werden sollte, am 31. Dezember ziemlich fällig ist. Es existieren jedoch Lebewesen, die in diesem Fall vorschlagen werden, lieber noch ein weiteres Jahr drüber nachzudenken. Man sollte nichts über’s Knie brechen!
Tatsächlich ist dieser ‚absurde Feiertag‘ ein Paradox in sich. Einen Menschen, der sich nicht entscheiden kann (und zwar seit einer geraumen Weile, sonst würde es nicht ‚endlich‘ heißen) zur Eile anzutreiben, ist ungefähr so erfolgversprechend, wie einen Maulesel am Halfter zu zerren, damit er schneller läuft. Das Tier wird sich mit den Beinen im Boden verschrauben und überhaupt nirgends mehr hinwollen – weder vorwärts noch zurück.
Auch ein zaudernder Entscheider wird durch ein Ultimatum gelähmt. Jetzt weiß er gar nicht mehr, was los ist. Er muss gewissermaßen noch mal von vorn anfangen.
Zaudernde Entscheider sind aller Wahrscheinlichkeit nach im Sternzeichen Waage oder Krebs geboren – oder haben jedenfalls einen Waage- oder Krebs-Aszendenten. Sie sind gewissermaßen astrologisch behindert. Da sie ansonsten ganz entzückend, sehr charmant, liebevoll und intelligent sein können, ist es am besten, ihnen nichts vom Entscheide-dich-endlich-Tag zu erzählen. Es empfiehlt sich überhaupt, alles, was entschieden werden muss, vor ihnen zu verbergen und so zu tun, als sei längst alles klar (indem man selbst die Entscheidung trifft). Das wird alle Beteiligten erleichtern. Dazu benötigt man ein unempfindliches Gewissen und eine Prise Zynismus. Man darf keineswegs anfangen, zu grübeln, ob jetzt nicht jemand bevormundet oder seiner Rechte beraubt wird. Man darf sich auch nicht scheuen, die Verantwortung zu tragen. Irgendwer muss manchmal entscheiden, wenn wir alle weiterkommen wollen.
Mein allererster ernsthafter Freund war so einer. (Steinbock, leider Waage-Aszendent.) Egal, worum es ging, ‚Wann heiraten wir und sollten wir überhaupt?‘ oder ‚Parken wir hier oder da hinten?‘ – er wusste nicht so recht. Falls er jemals Ja sagte, dann stets „Ja … schon … Aber …“ Und dann folgten seine Bedenken. Ich stand meinerseits vor der Wahl, abzuhauen, ihn zu manipulieren oder wahnsinnig zu werden. Deshalb hab ich mich eine Weile mit manipulieren beschäftigt – und bin dann abgehauen.
Es gibt ein wunderschönes Lied zu diesem Fall, einen Bolero-Chachacha: Quizás, quizás, quizás – 1947 von Osvaldo Farrés, einem Kubaner, geschrieben. Quizás, das bedeutet ‚vielleicht‘, und hier beklagt sich eine frustrierte Liebhaberin darüber, dass der von ihr angepeilte Mann sich nicht klar darüber werden kann, ob er nun mit ihr zusammen sein will oder nicht. Er nuschelt immer nur, vielleicht – wer weiß? Doris Day hat später auf Englisch drüber geschimpft: Perhaps, perhaps, perhaps! Ich mag die Zusammenstellung des englischen Textes mit der kubanischen Leidenschaft der Melodie.
Glücksfaktor: In meiner kurzen, aber knackigen Karriere als Leadsängerin der kleinen Ratze-Band (nicht wahr, Christoph?) hab ich das Lied auch gesungen. Dafür, dass ich nicht singen kann, nichtmal schlecht …