Der bekannte Heimatdichter Hans-Joachim Schneider


 

hat in seiner frühen Jugend, als er noch ein ganz kleiner Löwe war, ein Gedicht verfasst, einen bewegenden Vierzeiler. Er schaute am Morgen aus dem Fenster und sah – nichts. Weil dichter Nebel herrschte. Damals konnte er noch nicht schreiben, weshalb er, damit die Verse nicht verloren gingen, in die Küche lief und sie seiner Mama vortrug:

Nehpfel, Nehpfel,

was hast du gestohlen?

Nehpfel, Nehpfel,

wen hast du geholen?

Die Mama hat es sich wirklich gemerkt und später ab und zu aufgesagt, weshalb der große Löwe sie immer noch kennt.

Nehpfel, Nehpfel … In vermutlich fast jeder Familie mit Kindern gibt es Aussprüche und Ausdrücke der Kleinen, die so ulkig, liebenswert oder treffend sind, dass die gesamte Familie sie adoptiert und fortan verwendet, manchmal jahrelang, manchmal ein für alle Mal. Das ist dann Familiensprache.

Ich war noch nicht zwei Jahre alt, als ich einer Fliege zuhörte, die zwischen Gardine und Fensterscheibe herumschwirrte und dabei ein ganz spezifisches Geräusch verursachte: „Dieditsch!“ sagte ich. Seitdem hieß in unserer Familie eine Fliege grundsätzlich Dieditsch: „Da sitzt eine Dieditsch auf dem Kuchen, jag sie mal weg!“

Mein kleiner Sohn nannte eine Gurke ‚Gurkel‘, sicherlich inspiriert von Apfel. Das schreibe ich häufig heute noch so auf den Einkaufszettel. Wenn ich das Kind zudecken sollte, dann verlangte es nach seiner ‚Deckel‘ … Das Wort gibt es schließlich wirklich.

Manche Leute heißen ihr Leben lang nach dem Namen, den sie sich selbst als Kleinkinder verpasst haben, weil ihre Zunge mit der richtigen Aussprache damals noch Probleme hatte. Ich kannte einen ‚Ubbat‘ (Rupert) und eine ‚Itoja‘ (Viktoria) die sich daran gewöhnt hatten und Freunden einluden, sie so zu nennen. Und auch ein ‚Brüdi‘, der Kleinste von fünfen. Der war Chef einer größeren Agentur, verschenkte gern seine Visitenkarte, auf der statt des Vornamens ein B-Punkt stand und wurde von allen Angestellten respektvoll ‚Brüdi‘ gerufen. (Man duzte sich.) Eigentlich hieß er Alexander.

Mir sind immer mal wieder ernsthafte Leute begegnet,die es ablehnten, sich mit ihrem Kind in ‚Babysprache‘ zu unterhalten. Kein Deideidei. Meistens wurde das damit begründet, die armen Kleinen könnten Probleme mit ihrer Sprachentwicklung bekommen. Meine Eltern, mit sehr viel Sinn für Blödsinn gesegnet, sprachen nicht nur begeistert mit mir Babysprache, so lange ich klein war, sondern auch miteinander und gern in der Öffentlichkeit. Beispielsweise hieß in meiner Familie ein Rindvieh grundsätzlich ‚Muhkuh‘ und ein Ross ‚Hottepferdchen‘. Wahrscheinlich liegt es daran, dass ich in meiner Sprachentwicklung etwas gehemmt bin.

Glücksfaktor: SPASS an der Sprache …

 

 

 

 


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