Mit wem redet der Löwe im Badezimmer?
Er redet halblaut. Es klingt nicht wie ein Selbstgespräch. Außerdem neigt er nicht zu Selbstgesprächen.
Telefoniert er? Und wieso ausgerechnet dort?
Ich bin nicht besonders neugierig. (Für eine Journalistin bin ich sogar erschreckend wenig neugierig.)
Weder neige ich dazu, andere Menschen zu belauschen, noch beobachte ich Irgendwen aus dem Fenster. Der Löwe sagt immer, die ganze Nachbarschaft könnte geklaut werden, ohne, dass ich es merke.
Aber jetzt möchte ich doch wirklich gern mal wissen …
Ich kann ja mal die Schals im Flur sortieren. Ist sowieso nötig.
Ich höre:
„Du weißt hoffentlich, dass du mit deinem Leben spielst? Sag mal, hörst du mir eigentlich zu?“
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„Ich hab euch das tausendmal gesagt – ihr hört nicht. Solange ihr euch versteckt und aufpasst, dass sie euch nicht sieht … Ihr seid so ignorant und besserwisserisch. Was wollt ihr eigentlich beweisen? Sie sagt es doch immer, laut und deutlich: ‚Zeigt euch mir nicht! Dann kann euch nichts passieren‘. “
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„Glaub mir, ich meine es gut. Noch kannst du deinen Arsch retten! Sie zu, dass du abhaust!“
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„Mein Gott, bist du blöd? Es ist eine Katze im Haus. Eine gefährliche Katze. Schnell und gnadenlos. Sie hasst euresgleichen. Sie – verhandeln? Bevor du ein Wort gesagt hast, bist du platt! This flat ain’t big enough for both of you!“ (Der Löwe spricht ein entzückendes Englisch mit ganz leicht rheinlandpfälzischem Klang.)
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„Gut, mein Junge, du hast es nicht anders gewollt. Ich hoffe, du kannst schwimmen …“
(Geräusch der Dusche, heftig.)
Ich klopfe an die Tür. „Löwe?“
Er kommt aus dem Badezimmer, um ein harmloses Gesicht bemüht: „Was essen wir eigentlich heute Abend, Katze?“
Glücksfaktor, für mich und für sie: wenn wir uns gar nicht erst begegnen …