Der Mond


hat furchtbar viel zu tun. Noch dazu arbeitet er pausenlos im Schichtdienst, was nicht nur besonders anstrengend, sondern sogar gesundheitsschädlich ist.

Mal muss er nachts am Himmel rumlaufen, mal am Tage, ständig in unterschiedlicher Gestalt, was bedingt, dass er sich auch fortgesetzt umzuziehen hat. Manchmal hängt er auf dem Rücken herum, manchmal liegt er geradezu auf dem Gesicht; mal soll er rosa aussehen und dann wieder grünlich-blass. Das erfordert große Konzentration und exakte Planung. Man stelle sich vor, er ist gerade nicht da, wo er hingehört, wenn auf ihm eine Rakete landen soll!

Der Mond ist für vieles verantwortlich; Schlaflosigkeit, Ebbe und Flut, den Appetit von Werwölfen und Sehnsucht oder Schwermut jeder Art. Er hat nie Urlaub, denn dann wüssten Werwölfe nicht mehr, wann sie heulen sollen und die Nordsee bliebe wahrscheinlich ratlos irgendwo in der Mitte stehen.

Aber es gibt jeden Monat einmal eine Pause für ihn, das ist Neumond. Da hat er frei und darf sich rumtreiben, wo er will – nur nicht am Himmel.

Auf diese Stunden freut er sich natürlich jeden Monat.

Manchmal schläft er einfach nur und genießt es, wenn er kurz aufwacht, dass er weiterschlafen kann.

Manchmal macht er auch Ausflüge.

Er geht beispielsweise mit einem ganz bestimmten kleinen Jungen am Abend spazieren (am liebsten im Herbst) und passt auf, dass er im richtigen Abstand unter einem hölzernen Stöckchen schweben bleibt.

Oder er versteckt sich – meistens im Sommer – in einer Laterne, dann über einem Restaurant, und guckt zu, wie die Menschen essen.

Auf dieselbe Art beobachtet er, wie sie sich küssen. Das kann er zwar auch sehen, wenn er Dienst hat, aber nie aus dieser Nähe. Und er ist nunmal ein Romantiker.

Manchmal spielt er Brückenbeleuchtung

Als Deko zu einer Gartenparty geht er immer mal wieder gern und hängt dann in einem Baum …

Und hin und wieder begibt er sich zu einem ganz bestimmten Schulhof und spielt mit sich selber Basketball, bis er gewinnt …

Nach einigen Stunden geht dann sein Dienst wieder los. Er kleidet sich in die feine Sichel, die nach links geöffnet ist. (Einmal hat er aus Versehen die andere angezogen, die rechts geöffnete. Das hat aber keiner gemerkt.)

Und dann schwebt er gemächlich über den Nachthimmel und schaut, ob der kleine Ernst schon brav im Bettchen liegt …

Glücksfaktor: Kein Schichtdienst!


2 Antworten zu “Der Mond”

  1. Liebe Dagmar,

    wie hübsch! Deine Zeilen sind ein wunderbarer Tagesbeginn, auch wenn jetzt erstmal die Sonne scheint, dieweil der Mond wohl schon vor dem Schminktisch sitzt, um sich fein zu machen für den nächtlichen Auftritt.

    • Ach, danke, Angela! Ja, heute Nacht hat er wieder frei.
      Mein Löwe hat letzte Nacht unter freiem Himmel geschlafen in seiner Heimat, tief beeindruckt davon, wie viele Sterne zu sehen sind ohne jede Beleuchtung (eben auch zu Neumond). Er hat sechs Sternschnuppen gesehen!

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