Sie war ein fast zwanzig Jahre alter Dreimaster, ein Walfangschiff mit dem Heimathafen Nantucket.
Im August 1819 lief die Essex unter dem Kommando von Kapitän George Pollard mit 20 Mann Besatzung aus. Der erste Offizier war Owen Chase – einer der wenigen Überlebenden. Aus seinen Tagebüchern, die er retten konnte, machte er später ein kleines, nicht weiter beachtetes Buch. Sein Sohn gab dieses Buch an einen äußerst interessierten Mann weiter, Herman Melville. Der verarbeitete die Ereignisse zu seinem eigenen Roman. Einem der größten, die je geschrieben wurden.
Denn das Schiff ging nicht durch einen Sturm unter, sondern durch den Ramm-Angriff eines riesigen weißen Pottwals, dessen Kopf mit Narben bedeckt war und der sehr genau wusste, was er wollte: Rache.
Übrigens ist über diese Ereignisse 2015 ein Film gemacht worden mit dem etwas kitschigen Titel ‚Im Herzen der See‘. Mit Chris Hemsworth als Owen Chase und Ben Wishaw als Herman Melville.
In diesem Film wird auch gezeigt, was das Buch verschweigt. Während sich im Roman der einzige Überlebende auf einen leeren Sarg rettet und aufgefischt wird, verteilte sich die Mannschaft der Essex auf drei Boote und versuchte, die chilenische Küste zu erreichen. Sie hatten einiges an Trinkwasser und Schiffszwieback bei sich. Leider nicht genug, denn sie blieben monatelang unterwegs.
Eins der Boote verschwand bald aus dem Gesichtsfeld der übrigen und blieb verschollen. In den anderen, die ebenfalls den Kontakt miteinander verloren, begann man schließlich, halb wahnsinnig vor Hunger und Durst, die Toten zu essen.
Melville, der selber auf Walfängern gearbeitet hatte, machte aus dem Untergang der Essex und seinen eigenen Erlebnissen die grandiose, mythische Geschichte des hasserfüllten Zweikampfs zwischen einem einbeinigen Kapitän und dem Monsterwal Moby Dick.
Und wer ihn kennt, dem sträuben sich bereits gelinde die Haare bei den drei Worten, mit denen der große Roman anfängt: „Call me Ishmael“…