fand am 27. Juli 1361 statt.
Im Mittelalter spielte sich der Handelsverkehr überwiegend im Ostseeraum ab. Auf der schwedischen Insel Gotland gab es die reiche Hafenstadt Visby, Mitte des 12. Jahrhunderts der führende Handelshafen. Man nannte die Stadt Regina Mares: Königin des Meeres. Hier lebten viele höchst vermögende (meist deutsche) Kaufleute.
Visby bildete eine eigene Republik, losgelöst vom Rest der Insel. Es beinhaltete fünfzehn Kirchen und drei Klöster. Wer hier wohnte, verfügte über den Luxus gepflasterter Straßen und eines eigenen Abwassersystems, in extremer Separation vom Umland. Mit den ‚primitiven‘ schwedisch sprechenden Bauern wollten Visbys Bürger nichts zu tun haben. Um das zu verdeutlichen, baute man eine wehrhafte Mauer, dreieinhalb Kilometer lang und bis zu zwölf Meter hoch, samt vieler trutziger vorspringender Türme.

Dann kam Dänenkönig Waldemar IV., der den Beinamen Atterdag trug, (noch-ein-Tag, denn er war Tag für Tag hungrig auf neue Eroberungen). Nachdem sein Vater Christoph II. eine ziemliche Lusche gewesen war, dem Dänemark mehr oder weniger abhanden kam, hatte Waldemar sich in den Kopf gesetzt, den Rest der Welt unter dänische Herrschaft zu bringen – na, zumindest Skandinavien und das Drumrum. Jetzt verspürte er Appetit auf die Königin der Meere.
Zunächst verleibte er sich das umliegende Gotland ein, das war einfach. Er besaß ein gut ausgebildetes und ausgerüstetes Heer, ungefähr 3000 Söldner. Die konnten sich unschwer innerhalb weniger Tage in zwei Schlachten gegen die hastig aufgestellte ungeübte Bauernstreitmacht durchsetzen.
Am 27. Juli, einem heißen Tag, sammelte sich der verzweifelte Rest der Inselbewohner direkt vor Visby. Die Zivilbevölkerung klopfte an das große Stadttor und schrie um Hilfe – die kämpfenden Bauern bemühten sich inzwischen, die dänischen Krieger noch eine Weile zurückzuhalten, so lange möglichst, bis die große hölzerne Tür sich öffnete, um sie alle in die gut befestigte Stadt zu lassen.
Doch das Tor blieb verschlossen. Die Stadtbewohner schauten von oben auf ihrer Mauer zu, wie die primitiven, schwedisch sprechenden Bauern niedergemetzelt wurden.
Ein steinernes Kreuz steht auf Gotland und erinnert an die fast zweitausend Menschen, die in dieser Schlacht den Tod fanden. Spätere Ausgrabungen zeigten Unmengen von Schädeln und Gebeinen, davon viele von Frauen, Kindern und Greisen.
Historiker sagen, dass Visby sich bald darauf ergab, jedoch annehmbare Bedingungen vereinbarte und im Ganzen heil davonkam – von da ab eben dänisch, das machte nicht viel aus.
Die Sage aber geht anders. Es wird erzählt, Waldemar Atterdag sei ein stattlicher Herrscher gewesen, damals etwa vierzig Jahre alt, mit dunklen Augen und braunem Bart, herrisch und doch bezaubernd, wenn es ihm darauf ankam. Visby war eben praktisch uneinnehmbar, so dass der König seine liebenswürdige Seite hervorholte und eine Jungfrau umgarnte, Sigrid, die Tochter eines Visbyer Kaufmanns, die gerade in Roskilde weilte. Er gewährte ihr sichere Heimkehr in die Vaterstadt, sie gewährte ihm auch so dies und das, vor allem jedoch besorgte sie ihm den Schlüssel zu einem Seitentor.

Auf diese Art gelangte Waldemar mit seinem Heer bei Nacht in die Stadt, geht die Sage weiter. Er übernahm sie ganz kampflos, ließ drei große Holzfässer aufstellen und gab den Einwohnern Gelegenheit, ihr Leben zu retten, wenn sie alle drei Fässer mit Gold, Silber und anderen Kostbarkeiten füllten, die sie besaßen.
Was Sigrid anging, so hatte ihr der König erklärt, es wäre besser für sie, wenn niemals jemand erfuhr, dass sie sich kannten. Er seinerseits verhielt sich entsprechend – aber sie vermochte ihre Liebe zu ihm nicht zu leugnen. Worauf die wütenden Bürger, da konnte ihr Vater ihr auch nicht helfen, sie bei lebendigem Leib in einem der Türme einmauerten.
Der schwedische Maler Carl Gustaf Hellqvist hat 1882 ein Gemälde geschaffen, dass den Titel trägt: Valdemar Atterdag brandschatzt Visby. Brandschatzen ist die Bezeichnung für die Drohung, Feuer zu legen, wenn keine Bezahlung erfolgt. Über dieses Gemälde und seine Hintergründe hat übrigens Selma Lagerlöf eine ganze Geschichte geschrieben.

Als sei die Königin des Meeres vor Entsetzen über die furchtbaren Morde vor ihren Toren in einer Momentaufnahme erstarrt – so kann man sie immer noch, nach fast 670 Jahren, besichtigen. Sie steht von oben bis unten unter Denkmalschutz. Das mittelalterliche Stadtbild mit rund 200 Gebäuden ist erhalten, die kilometerlange Stadtmauer so gut wie neu.
Und Touristen wird jeden Sommer, Anfang August, in der ‚Mittelalterwoche‘ allerhand geboten. Praktisch ganz Visby läuft im historischen Fummel herum, das Programm reicht vom Ritterturnier bis zum Jungfrau-Einmauern, gruselig und bestimmt sehr amüsant.

Glücksfaktor für mich: Geschichte!