Die Stunde des Wolfes


nennt man die Zeit zwischen drei und vier Uhr nachts.
(Damit es etwas komplizierter wird, behaupten manche Wissenschaftler allerdings, es handle sich die Stunde zwischen zwei und drei Uhr nachts.)
Auf jeden Fall ist gewährleistet, dass die Wolfsstunde nach Mitternacht und vor dem Morgengrauen stattfindet. 
Es scheint so, als ob viele Menschen genau in dieser Zeit aufwachen – und nur schwer wieder einschlafen können. Normalerweise fühlen sie sich jetzt seelisch nicht besonders wohl.
Serotonin und Cortisol befinden sich im Nachtmodus – was bedeutet, unsere Glückshormone sind gerade nicht zu sprechen.
 
Außer in ganz speziellen Fällen – wenn etwa am nächsten Tag ein wunderschönes Fest stattfinden soll – die Liebste eben erkannt hat, was der Andere für ein Idiot ist und reuevoll zurückkehrte – eine Prüfung bestanden wurde oder eine Gehaltserhöhung gewährt – wenn also der Aufgewachte, nachdem er sich ein bisschen sortiert hat und wieder weiß, wo er ist, wer er ist und warum, in ein breites Lächeln zerfließt – außer in solchen Fällen bedeutet Wolfsstunde trostlose Dunkelheit und Bitterkeit.
Die dunkelste Stunde, heißt es, sei genau die vor Sonnenaufgang, bittesehr: Wolfsstunde.
Was kann das arme Tier dafür?
Vielleicht handelt es sich um die Symbolik des Bösen. So, wie man sich einen Wolf laufen kann. Daran hat das Pelztier ja normalerweise auch keine Schuld.
Böse am Aufwachen zu dieser Zeit ist die negative Stimmung rund ums Bett. Alles scheint düster und hoffnungslos. Plötzlich taucht der Gedanke auf, wie alt man schon ist und dass ja wohl jetzt nicht mehr viel kommt. Oder dass die geheimnisvollen Schmerzen im oberen Lendenbereich, tagsüber kaum beachtet, vermutlich Zeichen für etwas Grässliches sind, das nach langwieriger Behandlung unweigerlich zum Ende führt.Oder dass man in diesem Leben nichts Bemerkenswertes hingelegt hat und schmutzig und verklebt vergehen wird wie ein zertretener Kaugummi am Wegesrand.
Die Wolfsstunde hüllt in eine Wolke der Depression. Selbst, wer sie und ihre Tricks kennt, fällt immer wieder drauf rein. Es nützt wenig, sich jetzt zu sagen: ‚Hör auf, diesen Trübsinn zu glauben. Sobald es hell wird, sieht die Sache garantiert anders aus! ‚
Der Zauber ist so stark, dass er keinen positiven Gedanken gestattet, der Refrain lautet: ‚Es hat alles keinen Zweck. Nichts wird jemals wieder gut …‘
Unsere Körpertemperatur ist um diese Zeit meistens – außer in tropischen Nächten, die dann wieder nach einem Ventilator verlangen – heruntergefahren wie eine Nachtheizung. Ein anderes Hormon, das Melatonin, eigentlich verantwortlich für guten, tiefen Schlaf, macht sich jetzt wichtig und trägt dazu bei, dass wir alles als so stockdunkel empfinden.
In unserem Gehirn herrscht um diese Zeit eigentlich nur Notbeleuchtung. Und die beleuchtet ausgerechnet die pessimistischen Ecken unseres Daseins.
Was ist zu tun?
Aufstehen und den Kühlschrank besuchen.
Den Partner wecken mit den Worten: „Kannst du auch nicht schlafen?“
(Sex, by the way, ist gut. Der bringt die Hormone wieder ins Gleichgewicht.)
Einen hübschen, möglichst unspannenden Film auf Netflix angucken.
Ein bisschen schmökern.
Oder, um vielleicht doch wieder einzuschlafen: Wölfchen zählen!
 

Glücksfaktor: Irgendwann geht auch die dunkelste Stunde vorbei. Das ist der Vorteil der Zeit …

 
 
 
 
 
 
 

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