Ein Hund – Bimbo


Nachdem Senta abgerufen worden war, vermisste ich sie schmerzlich. Ich quälte meinen Vater immer wieder damit, er sollte mir doch bitte einen neuen Hund schenken.

Als ich sechs Jahre alt war, am 6. Dezember, rannte ich morgens zur Tür, um zu gucken, was in meinem Stiefel steckte. (Nein, ich glaubte nicht an den Nikolaus. Ich hoffe jedoch, meine Eltern hätten mir etwas Nettes geschenkt.) Was ich fand, war ziemlich viel Nässe. Der kleine Terrierwelpe, den mein Vater einige Minuten vorher in den Stiefel setzte, hatte ihn vollgepieselt und anschließend das Weite gesucht.

Er stammte aus dem Tierheim, war ausgesprochen niedlich, sehr pfiffig – und nicht sehr an mir interessiert. Stattdessen verliebte er sich auf der Stelle in meine Mutter, was gegenseitig war.

Sie gab ihm seinen Namen – ‚Bimbo‘ – in ihrem Bett, am Fussende, schlief er, auf ihrem Schoß saß er bald gewohnheitsmäßig.

Meinen Vater und mich fand er auch ganz nett, wir gingen ja alle drei mit ihm Gassi. Doch sein Herz gehörte von Anfang an meiner Mutter.

Auf diese Art hatte ich also keineswegs einen neuen eigenen Hund – eher etwas wie einen kleinen Bruder. Wir wuchsen zusammen auf. Es war auf jeden Fall schön, wieder einen Hund zu haben. Aber die ganz große Liebe war es nicht zwischen uns.

In den zwölf Jahren mit Bimbo feierte meine Mutter praktisch nie einen Jahreswechsel. Wenn alle anderen um Mitternacht mit Sekt anstießen, dann hielt sie ihm die Ohren zu, hüllte ihn mit einer Decke ein, umarmte ihn – denn er wurde durch das Feuerwerk vollkommen verrückt. An einem Sylvester entwischte er durch die Wohnungstür und flitzte die Straße entlang, hysterisch bellend, mit glühenden Augen. Ihm wurden ein paar Knaller vor die Pfoten geworfen und er wich entsetzt aus, auf die Fahrbahn. Bevor er überfahren wurde, machte meine Mutter einen Satz auf die Straße, erwischte ihn im Nackenfell und warf sich mit ihm auf den Gehweg zurück. Sie war, um den Hund zu retten, auf Nylonstrümpfen hinter ihm hergelaufen, weil sie in ihren Pumps nicht so schnell hätte rennen können. Das war für meine völlig unsportliche und sehr elegante Mutter ausgesprochen ungewöhnlich. 

Glücksfaktor: Tiere suchen sich gern selbst aus, zu wem sie gehören wollen.


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