Ein Hund – Senta


Senta war eine nicht hundertprozentig rassereine Schäferhündin. Sie hatte einem Drehbuchautor gehört, einem Bekannten meiner Eltern. Er war alt und sie war alt – er starb zuerst. Nach der Beerdigung überlegte seine Verwandtschaft, ob sie das Tier in ejn Asyl geben oder lieber gleich einschläfern lassen sollten. Meine Eltern, der an der Trauerfeier teilgenommen hatten, sagten sofort, wenn das so wäre, dann würden sie den Hund gern übernehmen. 

Die Verwandtschaft warnte: „Sie haben doch ein kleines Kind! Senta hat für Kinder nichts übrig. Sie hat schon verschiedentlich Kinder gebissen!“

Meine Eltern, die beide Hunde liebten, konnten sich das einfach nicht vorstellen. Sie ließen den großen Hund zu Hause aus dem Auto springen. Ich stand im Garten – ich konnte gerade laufen – wackelte der Schäferhündin entgegen und fiel ihr sofort um den Hals. Sie hielt still, stumm, erstaunt. Ich ließ sie los und tappte auf meine Eltern zu, stolperte, fiel hin und plärrte. Senta kam hinterher, leckte mir vorsichtig die Tränen vom Gesicht und packte ganz behutsam mit den Vorderzähnen meinen Pullover im Nacken, um mich wieder auf die Beine zu stellen. Ich erinnere mich zwar nicht selbst daran, aber meine Eltern haben es mir oft erzählt.

Dieser Hund war offenbar das geborene Kindermädchen und machte es sich zur Aufgabe, mich zu bewachen. Senta lag auf dem kleinen Teppich vor meinem Gitterbett, wenn ich schlief. Solange ich wach war, passte sie auf mich auf. Sie war die Geduld in Person, ließ mich auf ihrem Rücken reiten, sich von mir an den Schnauzhaaren ziehen oder mit ihren Krallen spielen, sprang in den Puppenwagen, wenn ich es wollte und ließ sich dazu ein Rüschenhäubchen aufsetzen. Andere Kinder knurrte sie tatsächlich an. Das machte aber nichts, weil ich sowieso viel lieber mir ihr spielte als mit anderen Kindern.

Sobald ich richtig laufen konnte, machten wir zusammen Spaziergänge, nie mit Hundeleine, denn sie ging sowieso ‚bei Fuß‘.

Senta blieb nur bis ungefähr zu meinem vierten Lebensjahr bei uns – denn sie war wirklich schon ziemlich alt. Sie hat mir vom Anfang meines Lebens an vermittelt, dass Hunde unendlich zuverlässige Kameraden sind und großartige Gesprächspartner. Ich bin sehr dankbar dafür, dass ich ihre Freundin (und bis zu einem gewissen Grad ihr Welpe) sein durfte.

Glücksfaktor: Mit dem Anfang des Lebens bereits einen Hund zu haben …


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