Ein Primadonnenkrieg brach am 6. Juni 1727 auf offener Bühne aus


Die feindlichen Königinnen: Faustina Bordoni, Mezzosopran

und Francesca Cuzzoni, Sopran, ungefähr ein Jahr jünger. 

beide natürlich Italienerinnen, beide um 30. Das Publikum war sich durchaus nicht einig, welche von ihnen die begabteste, herrlichste, beste Sängerin des Jahrhunderts sein sollte. Eine von beiden auf jeden Fall. Die Sängerinnen fühlten ihrerseits jeweils entschieden, sie selbst wären diejenige.

Dieser edle Krieg der Muse tobte in London. Dort war seit einer Weile George Frideric Handel  schöpferisch tätig, einer der berühmtesten und einflussreichsten Komponisten des Landes – geboren als Georg Friedrich Händel in Halle an der Saale, seit 1727 britischer Staatsbürger. Er verfasste viele Opern mit wundervollen Arien für brillante Sängerinnen sowie später speziell für den englischen König die Wassermusik und die Feuerwerksmusik – dabei handelte es sich um ‚Freiluftmusik‘ ohne Gesang.

 

 

Seit 1726 war Faustina Bordoni ein Star in London, bald darauf kam Francesca Cuzzoni dazu. Händel schrieb mehrere Werke für zwei Soprane, die in der königlichen Opernakademie aufgeführt wurden.

Inzwischen spaltete sich das Publikum in zwei Parteien um die sogenannten ‚Rival Queens‘. Bordoni-Anhänger luden Cuzzoni-Anhänger nicht mehr zum Tee ein, Cuzzoni-Anhänger grüßten Bordoni-Anhänger nicht mehr auf der Straße. Die Fans der einen Primadonna begleiteten deren Arien mit Zischen und Buh-Rufen, die anderen ebenso bei der gegenseitigen Sängerin. Die sportlichen Briten hatten seit jeher viel für Wettstreit übrig.

Die Mädels reagierten unterschiedlich. Faustina Bordoni behielt die eiserne Ruhe und sang weiter – dem Publikum ging eher die Puste aus als der Sopranistin.

Francesca Cuzzoni besaß empfindlichere Nerven. Nachdem ihr Fans der Bordoni in Briefen vor den Vorstellungen drohten, ‚ihre Schande zu mehren und sie von der Bühne zu pfeifen‘ bekam sie Stimm-Probleme, wurde krank und musste einige Vorstellungen absagen. 

Am 6. Juni kam es während der Uraufführung zu Bononcinis Oper Astianatte zum Showdown der beiden Sopranistinnen. Angefeuert von ihren jeweiligen Hooligans gingen Faustina und Francesca aufeinander los, erst schimpfend, dann schubsend, schließlich, indem sie sich gegenseitig die Frisuren zerrauften. Die Vorstellung wurde an dieser Stelle abgebrochen, dürfte jedoch den größten Teil des Publikums trotzdem befriedigt haben.

Faustina, im Widder geboren, fühlte sich hinterher mutmaßlich erfrischt. Francesca als friedlicherer Wassermann ganz im Gegenteil, warf das Handtuch und gab ihre Abreise bekannt. Nun fühlte sich der König, George I., zum Eingreifen aufgerufen. Er schrieb einen Brief an die Direktoren der Royal Academy, in dem er erklärte, wenn die Künstlerin Cuzzoni sich tatsächlich durch dieses skandalöse Treiben genötigt fühle, das Land zu verlassen, dann werde er seinerseits die Oper nie wieder besuchen und ganz nebenbei auch sein Abbonement im Wert von £1000 streichen. Anschließend starb er – nämlich am 11. Juni, nachdem ihn zwei Tage vorher auf einer Reise der Schlag getroffen hatte. Was die Opernsaison wegen Staatstrauer sowieso abwürgte.

Glücksfaktor: interessante Darbietungen.

 

 


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