Am 6. Januar 1540 heiratete Henry VIII. mal wieder, diesmal eine Deutsche, Anna von Kleve.
Eigentlich wollte er nicht, aber es ließ sich nicht mehr vermeiden, weil er einen zu großen Anlauf genommen hatte.
Thomas Cromwell, der Lordsiegelbewahrer (also eine Art Kanzler) war Schuld, und natürlich der Maler Hans Holbein. Cromwell, weil er sich politisch eine Menge von dieser Verbindung versprach, und Holbein, weil er Anna auf einer Miniatur viel zu schmeichelhaft protraitierte. (Dabei hatte er bloß ein bisschen gefotoshopt, Anna ein kürzeres Näschen verpasst, größere Augen und ein sinnliches Lächeln.)
So sah sie in Wirklichkeit aus, auch von Hohlbein gemalt, aber ehrlicher:

Der König fuhr voll auf die Miniatur ab, die man ihm unter die Nase hielt und unterschrieb im Oktober 1539 den Ehevertrag, ohne Anna persönlich gesehen zu haben. Dann wartete er mit großer Ungeduld auf ihre Ankunft in England. Ende Dezember fuhr sie von Calais über den Ärmelkanal nach Dover und von dort nach Rochester.
Heinrich galoppierte am ersten Januar dorthin, um seine vierte Frau endlich in die Arme zu schließen. Bei ihrem Anblick drehte er allerdings auf dem Absatz um, machte Cromwell im Nebenzimmer eine Szene und versuchte vergeblich, irgendwie aus der Nummer wieder rauszukommen.
Anna von Kleve zählte fünfundzwanzig Jahre, sah jedoch, dem Urteil scharfer Beobachter folgend, wie mindestens 30 aus. Nach den Maßstäben der damaligen Zeit schon fast jenseits von Gut und Böse.
Henry war ganz genau doppelt so alt und auch nicht gerade eine Beauty, aber darum ging es nicht; er war der King und durfte aussehen, wie er wollte.

Nach der Hochzeit tat er ein paar Nächte lang sein Bestes, erklärte jedoch bald, es sei ihm unmöglich, sein Weib fleischlich zu erkennen. Schon hatte er einen Grund, die nichtvollzogene Ehe nach einem halben Jahr zu anullieren.
Übrigens hatte er sich inzwischen sowieso in eine der (englischen) Hofdamen seiner unansehnlichen deutschen Frau verknallt, in die kleine, kaum zwanzigjährige Catherine Howard. Die nahm er gleich nach der Trennung von Anna zur Frau. Manche Leute heiraten eben gern.
Anna, die kein Theater wegen der Trennung gemacht hatte, behandelte man hinterher nett. Sie durfte in verschiedenen Schlössern leben, bekam eine fette Apanage, wurde zu allen Familienfesten im Königshaus eingeladen und erfreute sich sogar großer Beliebtheit im englischen Volk.
Eigentlich konnte sie heilfroh sein, dass sie dem romantischen König nicht gefallen hatte. Genau die beiden Gattinnen, in die er am wildesten verliebt gewesen war, die zweite und die fünfte (ja, genau, die kleine Catherine Howard) ließ er nach wenigen Ehejahren köpfen.
Lordsiegelbewahrer Cromwell fiel auch in Ungnade und wurde hingerichtet. Hans Holbein behielt seinen Kopf, durfte jedoch nicht mehr für die königliche Familie Portraits malen, dieser Lügner.
Glücksfaktor: In unserer angeblich so entsetzlichen Zeit leben zu dürfen …