Es gibt nichts Gutes …


… außer man tut es, hat Erich Kästner 1950 geschrieben. Er ließ dabei ein Komma oder womöglich einen Doppelpunkt in der Mitte weg – das wird inzwischen oft falsch zitiert. Außerdem schreibt man die Zeile gern anderen Geistesgrößen zu, etwa Seneca oder Tucholski.

Kästner war Moralist und Idealist, beides unbequem für andere und für sich selbst. Gutes tun, nebenbei bemerkt, ist eine höchst undankbare Sache. Doch es geht demjenigen, der es tut, ja schließlich auf keinen Fall um Dankbarkeit. Dann ist es nämlich schon nicht mehr richtig gut.

Interessanterweise mangelt es den Menschen, die sich aufraffen, um in Güte tätig zu werden, meistens nicht nur an Dank. Sie werden vielmehr angegriffen, manchmal auf’s Schärfste.

Wer sich erdreistet, gut zu sein, muss nach Meinung der Umwelt gefälligst noch ein bisschen mehr leisten. Er darf beispielsweise auf keinen Fall den geringsten Nutzen aus seinem hilfreichen Handeln ziehen. Am besten zahlt er, im Gegenteil, kräftig drauf. Er soll angenehm aussehen (fettiges Haar oder schmutzige Fingernägel sind völlig unmöglich, da hilft es auch nicht, die Welt zu retten), aber nicht zu hübsch: jeder wüsste sofort, dass bloße Eitelkeit die Triebfeder ist, sich als Spender in Szene zu setzen. Soll ihm für seine Taten der Nobelpreis oder ein Ritterschlag verliehen werden, hat er das entschieden abzulehnen. Sein Privatleben muss über jeden Verdacht erhaben sein, und wenn er den Mund aufmacht, dann höchstens, um politisch korrekte und bescheidene Anmerkungen machen.

Im November 1984 sah der englische Rockmusiker Bob Geldof im Fernsehen eine Reportage über den Hunger in Äthiopien, fühlte sich sehr gebeutelt, telefonierte mit einigen Kollegen und schrieb, gemeinsam mit Midge Ure, den Song DO THEY KNOW IT’S CHRISTMAS?

Das wurde auch so schnell wie möglich aufgenommen, gemeinsam mit Stars wie David Bowie, Phil Collins, Paul Young, Sting, Boy George und so weiter, und da sich das Lied alsbald zu einem Hit entwickelte, kam wirklich eine Menge Geld für die Hungernden zusammen.

Aber da musste der Initiator auch schon in Deckung gehen. Rundherum saßen viele, viele Kritiker, schnalzten missbilligend mit der Zunge und wussten:

o Geldof stelle Afrika falsch (respektlos!) dar, indem er es zum Opfer mache

o Er behielte ja einen Teil des Erlöses für sich

o Es wäre gar nicht seine eigene Idee gewesen: sie selbst hätten die viel eher gehabt und wenn es nur zur Ausführung gekommen wäre, alles viel besser gemacht

o Geldof täte zwar vordergründig was für die Welt, sei jedoch bewiesenermaßen ein Steuerhinterzieher

Der Musiker war übrigens unbelehrbar, er fuhr fort, gegen die Armut in Entwicklungsländern zu kämpfen und wurde weiter, immer massiver, beschimpft. Inzwischen zieht, wer ein bisschen im Bilde ist, bei der Nennung seines Namens nur wissend die Augenbrauen hoch …

Außer man tut es? Das lässt man doch lieber bleiben, sofern man nicht aufrichtiges Vergnügen daran empfindet, mit geordnetem, politisch korrektem Schmutz beworfen zu werden.

Glückfaktor: ein richtig dickes Fell

 


2 Antworten zu “Es gibt nichts Gutes …”

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