François Séverin Marceau


war ein sehr junger General der Ersten Französischen Republik. Er wurde am 1. März 1769 in Chartres geboren, ein Fische-Mann also, einer von der besonders tapferen Sorte.

 

 

Sein Vater wünschte sich für ihn eine juristische Laufbahn, aber François spürte offenbar seine militärischen Talente: als er sechzehn war, trat er in die Armee ein. Sieben Jahre später, mit 23, war er General.

Generäle, muss man wissen, waren vor der französischen Revolution häufig Adlige gewesen. Aber da es nach dem Willen des Volkes gerade denen an den Kragen ging, blieb für die anfallenden Kriege kaum noch jemand mit den entsprechenden Kenntnissen und Erfahrungen übrig. In einiger Verlegenheit hatte die neue Regierung oft einen Arbeiter oder Kleinbürger, (der meistens weder lesen noch schreiben konnte und von Militärführung keinen Schimmer hatte, sondern nur die Bedingung erfüllte, radikaler Revolutionsanhänger zu sein), zum kommandierenden General ernannt. Worauf haufenweise Schlachten und Gefechte verpatzt wurden. Deshalb gelang es intelligenten, energischen Männern, strategischen Ausnahmetalenten wie Marceau oder beispielsweise einem ehrgeizigen jungen Soldaten namens Napoleone Buonaparte, derart schnell militärische Karriere zu machen und Generäle zu werden, bevor sie Mitte zwanzig waren.

François Séverin Marceau war nicht nur jung, er war auch hübsch, mit blassem Gesicht und fast mädchenhaft weichen Zügen. Die Briten tauften ihn deswegen ‚the Boygeneral‘. Schlank und anmutig, das dunkle Haar in lose Zöpfe gebunden – allerdings eine ziemlich übliche Frisur unter damaligen Soldaten, viele trugen sogar zwei geflochtete Zöpfe (auf diesem Bild sitzt so einer vor seinem General) – benötigte er seinen kleinen Schnauzbart, um nicht wie ein verkleidetes  Frauenzimmer auszusehen. Trotzdem schien er genug Autorität auszustrahlen, um sich überall sofort durchzusetzen.

Privat, hieß es, sei  der junge General zunehmend schwermütig und pessimistisch geworden. Als seine Lieblingsschwester Emira ihm schrieb, wie stolz er auf seine ‚Lorbeeren‘ sein müsste, antwortete er: ‚Sie würden dich entsetzen. Sie sind mit menschlichem Blut befleckt.‘

Übrigens litt er an einer sonderbaren Marotte: Es behagte ihm nicht, dass Frauen in den Krieg verwickelt oder dadurch beeinträchtigt wurden oder überhaupt leiden mussten. Wenn seine Soldaten ihn nicht so verehrt hätten, wäre es sicher übel vermerkt worden, dass Marceau immer wieder Vergewaltigungen oder überhaupt jede Art der Brutalität Frauen gegenüber verhinderte.

Notfalls begab er sich dadurch selbst in Gefahr. So rettete er eine junge Adlige, Angélique des Mesliers, zunächst davor, gleich erschossen zu werden. Er schrieb ihr sogar eine Bescheinigung, dass sie eine gute Bürgerin und Rebellin sei. Das rettete leider die (wie Marceaus Freund, General Kléber, bemerkte) bildschöne Aristokratin nicht vor der Guillotine, sondern brachte auch beinah die hilfreichen Generäle Marceau und Kléber vor das Tribunal. Es war lebensgefährlich im Frankreich dieser Tage, sich für den Adel einzusetzen. Später wurde aus dieser Episode eine Liebesgeschichte zwischen François Séverin Marceau und Angélique des Mesliers gesponnen. Wer weiß?

Ebenso gewagt war es, dass er sich 1794 mit der siebzehnjährigen Agathe Leprêtre de Châteaugiron verlobte. Emira war entsetzt und versuchte, ihrem Bruder sie Sache auszureden: schon wieder blaues Blut! Zur Hochzeit kam es jedoch sowieso nicht durch Marceaus ständige militärische Einsätze und seine angeschlagene Gesundheit. 

Im selben Jahr stand er mit seinen Soldaten österreichisch-englischen Koalitionstruppen gegenüber, besetzte innerhalb weniger Wochen die linke Rheinseite von Köln bis Koblenz und eroberte das  obere Mittelrheintal, den südöstlichen Hunsrück und das Mainzer Hinterland bis in die Pfalz. 1795 wurden seine Truppen in den Hunsrück zurückgedrängt, konnten ihre Feinde jedoch am weiteren Vordringen nach Westen hindern.

Im hereinbrechenden, schneereichen Winter handelte Marceau mit dem österreichischen General Kray einen Waffenstillstand für 6 Monate aus, weil die Soldaten auf beiden Seiten nicht mehr zu versorgen waren – daraufhin ernannte ihn der Feind (!) zum Ehrenoffizier der österreichischen Armee. Seine Klugheit und sein Mut wurden allerdings von vielen, Freund wie Feind, geschätzt. So lobte das  erzdeutsche ‚Meyers Konversations-Lexikon‘ im 19. Jahrhundert ausdrücklich seinen edlen Charakter und sein hervorragendes Feldherrntalent und bescheinigte, er sei einer der ausgezeichnetsten Generäle der französischen Revolution gewesen.

Am 19. September 1796 traf ihn bei Rückzugskämpfen nahe Limburg an der Lahn ein Gewehrschuss links in die Taille. Er starb zwei Tage später an der Wunde, 27 Jahre alt, in Altenkirchen. Bei seiner Bestattung standen Waffengefährten und Feinde beieinander, um ihn zu ehren. Bei Höchstenbach im Westerwald wurde ihm ein Denkmal errichtet.

Davon abgesehen ploppten überall Denkmäler auf, unter anderem in Koblenz oder Chartres. Sein Name steht im Triumphbogen von Paris, eine breite Avenue in der Mitte der Stadt heißt nach ihm, man hat einen Militärmarsch für ihn komponiert und der englische Dichter Lord Byron verewigte ihn in seinem Gesang Childe Harold’s Pilgrimage. Jeder, solange er lebte und nach seine Tode, schien beeindruckt und begeistert vom jungen General Marceau.

Bis auf die Nazis. Die mochten ihn nicht. Vielleicht war er ihnen nicht deutsch genug. Jedenfalls zermantschten sie 1941 sein Denkmal bei Höchstenbach. Tausend Jahre später, also 1945, baute die französische Besatzung es wieder auf. Sogar General de Gaulle nahm an der Einweihung teil. Das hätte Marcaeu bestimmt gefallen; denn obwohl er zweifellos ein lupenreiner Republikaner war, hatte er offenbar immer ein Herz für den Adel …

Glücksfaktor: Wenn schon unbedingt Krieg sein muss, dann lieber edle Feinde statt der dumpfbackigen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


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