Girolamo Savonarola


machte, als er 22 Jahre alt war, der schönen Laodomia, der Tochter eines Nachbarn, einen Heiratsantrag. Das war in Norditalien, im Jahr 1474. Damals studierte der junge Mann Medizin und Philosophie.

Laodomia lachte kurz und lehnte ab. Das Lachen klang Girolamo noch im Ohr, als er zurück nach Hause kam. Vielleicht hatte er keinen Spiegel, denn das war ein Luxusartikel. Vielleicht schaute er in die Wassertonne und sah sein Gesicht. Er fragte sich, ob es an den Ohren lag – an dem dünnen, flusigen Haar – am unterentwickelten, spitzen Kinn – an den kleinen, zu tief liegenden Augen – an den wulstigen, gekrümmten Lippen – oder war es nur diese Nase?! Er hörte immer noch Laodomias Lachen.

Von da an begann er, zu hassen. Er hasste die Schönheit. Er hasste Vergnügungen und Spaß. Er hasste frohe, selbstbewusste Menschen.

Girolamo warf das Medizinstudium hin und wurde Geistlicher, Dominikaner in Bologna. Dieser Orden zeichnete sich im späten Mittelalter durch seine intellektuelle, kühle Grausamkeit aus, weshalb seine Mönche auch gern als domini canes bezeichnet wurden, das ist Lateinisch für ‚Hunde des Herrn‘. Sie schnüffelten eifrig alles auf, was ihrer Meinung nach nicht rein und fromm war und standen in der ersten Reihe der Inquisition, der lebensgefährlichen ‚Befragung‘, praktisch nie ohne Folter.

Savonarola war mehr als eifrig, er war gnadenlos. Er predigte den nahen Weltuntergang, malte die Hölle in grellen Farben, wollte die Kirche erneuern, gerne mit Gewalt. Für eine Weile beeindruckte er die Menschen und wurde eine Art Star. Kinder und Minderjährige, Fanciulli, machte er zu seinen Assistenten. Sie zogen durch Häuser und Straßen und beschlagnahmten, ‚im Namen Christi‘, alles, was Zeugnis gab für die Verkommenheit und Äußerlichkeit der Menschen.

Und das ausgerechnet in Florenz, einer Stadt, die nur aus Schönheit und Kultur besteht! Die Fanciulli sammelten, was Savonarola als ‚heidnische Schriften‘ bezeichnete, also alle nicht-religiösen. Außerdem hübsche Kleider, Musikinstrumente, Kämme, Schmuck, Gemälde, Spielkarten, verzierte Möbel und immer wieder Spiegel … Manche Besitzer dieser Gegenstände warfen die Dinge eigenhändig auf den großen Scheiterhaufen, vielleicht, weil sie einsahen, wie hohl und oberflächlich sie waren. Vielleicht auch aus Furcht, es könnte sie das Leben kosten. Der Maler Sandro Botticelli zum Beispiel schleuderte einige seiner wunderschönen Bilder selbst in die Flammen!

Am 7. Februar 1497 entzündete der freudlose Priester sein Fegefeuer der Eitelkeiten, wie er es nannte. Er verbrannt Kulturgut, Schönheit und Freude. Er verbrannte, wie er meinte, alles Überflüssige auf dem Weg zum Himmel.

An dieser Stelle reichte es dem Papst.

Alexander VI., ein lebensfroher, sinnlicher Renaissance-Mensch (und nebenbei, Papst hin, Zölibat her, Vater von Lucrezia und Cesare Bogia) befahl dem Dominikaner, seine Klappe zu halten. Der holte tief Luft und scheute sich nicht, zu schreien, Papst Alexander sei sowieso der Schlimmste von allen.

Worauf er exkommuniziert wurde. Girolamo erklärte, das habe keine Bedeutung, weil dieser Papst in den Augen Gottes kein Papst sei.

An dieser Stelle reichte es nun einer ganzen Reihe seiner Anhänger, sogar den meisten Dominikanern.

Vielleicht machte es den Menschen keinen Spaß mehr, fortgesetzt Spaß verboten zu bekommen. Plötzlich beteiligten sich alle, die vorher von ihm begeistert waren, daran, Savonarola aus dem Kloster zu zerren und in den Kerker zu werfen. Weil es sich so gehörte, wurde er rechtschaffen gefoltert, bis er bereit war, alles zu gestehen, was man ihm diktierte. Das widerrief er zwar hinterher, aber da hörte keiner mehr zu.

Am 23. Mai 1498 wurde Girolamo Savonarola in Florenz erst gehängt und dann verbrannt. Übrigens an just der Stelle, an der er seinen großen Scheiterhaufen, das Fegefeuer der Eitelkeiten, errichtet hatte.

Die evangelische Kirche gedenkt seiner als Märtyrer in ihrem Namenkalender für den 23. Mai. Martin Luther nannte ihn einen ‚Heiligen Mann‘. Protestanten haben durchaus eine Ader für Spaßlosigkeit.

Der italienische Politik-Philosoph Niccolò Machiavelli, ein Zeitgenosse des wütenden Mönches, sagte ungefähr folgendes: Girolamo habe einen Bildersturm gepredigt und eine Verhetzung von Kindern betrieben, die ihre Eltern denunzieren sollten. Er habe demogogischen Eifer aus religiöser Verblendung gezeigt. Außerdem könne er selbst keinen Sinn in der Zerstörung schöner und wertvoller Sachen erkennen.

Johann Wolfgang von Goethe, um seine Meinung auch noch einzuholen, bezeichnete Savonarola als fratzenhaftes, fantastisches Ungeheuer. Vielleicht empfand das ja bereits die hübsche Laodomia, als sie über seinen Antrag lachte. Übrigens hätte sie ruhig ein bisschen taktvoller vorgehen können. Sie hätte der Nachwelt und der Kultur womöglich einiges erspart …

Glücksfaktor: Selbstverständlich kommt es ganz allein auf innere Werte an und auf nichts anderes. Und doch, ich hab viel übrig für Schönheit und alles, was das Auge erfreut.

 


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