Gladys Marie Deacon


war die Tochter eines reichen amerikanischen Fabrikanten. Sie wurde im Februar 1881 geboren und, als sie elf war, damit konfrontiert, dass ihr Vater den Liebhaber ihrer Mutter erschoss.

Das geschah in Cannes, wohin sich Florence Deacon für ein kuscheliges Wochenende mit ihrem Lover zurückgezogen hatte. Gladys‘ Vater barst mit seinem Schießeisen in das Hotel und verlangte vom Personal, das Apartment aufzuschließen, hinter dessen Tür er sein Weib vermutete. Der ertappte Liebhaber sprang aus dem Bett und versuchte, sich hinter einem Sofa zu verstecken – lieber feige als tot – doch Deacon ballerte durch das Möbel hindurch. Der Geliebte seiner Frau starb einen Tag später an den Schusswunden.

Weil das Ganze in Frankreich passiert war und weil die Franzosen viel Verständnis haben für Taten, die aus Leidenschaft begangen werden, erhielt Daddy Deacon nur ein paar Monate Gefängnis. Sobald er wieder frei war, gab es eine große Schlacht um Sorgerecht und Erziehung der Tochter. Möglicherweise auch dadurch aufgerieben, starben die Eltern früh und ließen das Kind sehr vermögend zurück.

Gladys war frühreif, intelligent, mental etwas wackelig und höchst attraktiv. Sie galt sogar über lange Jahre als schönste Frau der Welt mit kastanienbraunem Haar, großen, hell-grünblauen Augen und einem vielgerühmten Profil.

Ihre Nase ging ohne Knick aus der Stirn in einer anmutigen, geraden Linie hervor! Allerdings muss gesagt werden, dass sie ganz ursprünglich einen kleinen Knick in der (Profil-) Optik gehabt hatte. Na und? könnte man meinen. Doch Gladys wohnte der Anspruch nach Perfektion inne, weshalb sie sich eine großzügige Portion Parafin in die Nase spritzen ließ. Ergebnis: diese makellose Linie, oft gemalt, fotografiert, besungen und gepriesen.

Gladys hatte, seit sie sechzehn war, Affären mit vielen bedeutenden Herren der Weltgeschichte. Darunter mit König Edward VII. und Kronprinz Wilhelm von Preußen, dem ältesten Sohn des deutschen Kaisers. Ihr Herz gehörte jedoch seit vielen Jahren einem einzigen, einem englischen Aristokraten: Charles Spencer-Churchill, ja, ein Cousin von dem Churchill. Er war zehn Jahre älter als Gladys, der neunte Duke of Marlborough und zufällig mit ihrer Freundin verheiratet.

Weshalb die schönste Frau der Welt, intelligent und reich und umschwärmt, ihre Sehnsucht ausgerechnet auf den Duke konzentrierte, ist einigermaßen rätselhaft. Er war ungefähr so groß wie sie selbst, nicht unbedingt eine Augenweide und seine Zeitgenossen schildern ihn ziemlich übereinstimmend als ein richtiges … also als einen höchst interessanten Charakter.

Aber man weiß ja nie, was Amor sich so denkt.

Nachdem Churchills erste Ehe glücklich geschieden – und Gladys, indem sie ihre Freundin hinterging, seit vielen, vielen Jahren (unter anderem) seine Geliebte gewesen war – wurde ihr Herzenswunsch erfüllt. Sie heiratete, 1921, den Herzog von Marlborough. Endlich! Da war sie vierzig Jahre alt und hatte neuerdings ein ganz neues Problem. Das Parafin, das in ihr Näschen gespritzt worden war, machte sich selbständig. Es rutschte in ihrem Gesicht herum, bildete unkleidsame Beulen am Kinn, neben den Mundwinkeln, in den Wangen.

Gladys entwickelte sich innerhalb ziemlich kurzer Zeit zu einer introvertierten, zurückgezogen lebenden Frau. Das amüsierte ihren Gatten wenig. Offenbar war es einfacher gewesen, ein heimliches Liebespaar zu sein als nun ein unheimliches Ehepaar. Lady Churchill schlief, ganz Tochter ihres Vaters, mit einem Revolver in der Nachtschrankschublade, erklärtermaßen, um ihren Ehemann fern zu halten.

Die Ehe blieb kinderlos und wurde nach zehn Jahren annulliert. Gladys wohnte mit ihrem zerlaufenden Gesicht und vielen Katzen und Hunden in einem alten Schloss. Sie ging nur nachts an die frische Luft.

Die letzten Lebensjahrzehnte verbrachte sie in einer psychiatrischen Klinik. Sie wurde 96 Jahre alt. Aber das wusste sie nicht mehr …

Glücksfaktor: Ein Leben ohne Superlative?

 

 

 


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