Glück steckt an


Also nicht das materielle Glück, die Fakten.

Aber das innere Gefühl, dass alles gut ist. Ein Glas, das nicht halbvoll ist und schon gar nicht halbleer, sondern voll bis zum Rand, und wenn noch so viel

daraus getrunken wird.

Miesepetrigkeit steckt übrigens auch an. Sieht jemand alles fortgesetzt dunkelgrau und fühlt sich verpflichtet, das zu melden, dann ist es auf die Dauer anstrengend, nicht in dieselbe Pampe zu fallen.

Interessanterweise gibt es zwei Märchen mit dem Titel ‚Pechvogel und Glückskind‘, beide von (zu ihrer Zeit) bekannten Autoren.

Das war zuerst Richard von Volkmann-Leander, sehr erfolgreicher Arzt und Hochschuldozent, ein Mann mit durchdringenden blauen Augen und leuchtend rotem Backenbart bis auf die Schultern. Ihm verdankt die Menschheit nicht nur den Beginn der antiseptischen Wundbehandlung mit Karbol und die Erfindung des scharfen Löffels sowie einen Vorläufer des Rollators, sondern auch die bezaubernde Märchensammlung ‚Träumereien an französischen Kaminen‘.

Am Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 nahm Volkmann als konsultierender Generalarzt teil und er schrieb während der Belagerung von Paris an seine Frau und seine Kinder zu Hause, nach und nach, mehr als 20 Märchen. Darunter eben auch das vom Pechvogel, der durch einen Kuss selber glücklich wird und die Prinzessin Glückskind traurig macht – allerdings nur, bis er wieder auftaucht und sie heiratet.

Der begabte Doktor selber nahm ein relativ trauriges Ende. Da die Belagerung von Paris mehr als ein Vierteljahr dauerte und wohl ziemlich langweilig war, vertrieb er sich offenbar die Zeit nicht nur mit Märchenschreiben. Jedenfalls sammelte er sich in dieser Zeit die ‚Französische Krankheit‘, die Syphilis, ein und wurde sie nicht mehr los, weil es ja noch kein Penicillin gab. So starb er schließlich recht jämmerlich, nach Jahren mit quälenden Rückenbeschwerden, an den Spätfolgen dieser Krankheit.

Die zweite ‚Pechvogel und Glückskind‘-Geschichte verfasste der Schriftsteller Hans Fallada, der eigentlich sein ganzes Leben lang, von früher Kindheit an, ein ausgesprochener Pechvogel gewesen ist – mal abgesehen von seinem großen Erfolg als Autor.

Fallada schrieb das Märchen, sechsundvierzigjährig, im Jahr 1939, als Geburtstagsgeschenk für seine 27 Jahre jüngere Freundin. Vielleicht in dem Gefühl, dass sie ihn gerade sehr glücklich machte. Veröffentlicht wurde die Geschichte damals nicht. Man fand sie erst 1995, achtundvierzig Jahre nach Falladas Tod, in seinem Privatbesitz. Sein Sohn Achim präsentierte sie auf der Leipziger Buchmesse. 

Beide Märchen drücken indessen dasselbe aus: die Überzeugung, dass Liebe glücklich macht. Auch in ganz schweren Fällen von Depression …


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