Oder eher Übernatürlichkeitstag? In Amerika heißt er Paranormal-Day. Ich weiß nicht, wie er dort gefeiert wird – stoßen kichernde Gespenster mit Champagner aus Spinnwebgläsern an?Ich persönlich hätte so ein Datum auf den geheimnisvollen, dunklen November gelegt: raschelndes Laub und wabernder Nebel. Und doch, vielleicht planen gerade jetzt, unter blühenden Bäumen, viele Hexen (eben erholt von der Orgie der Walpurgisnacht) die Untaten für den Rest des Jahres?Wenn man ‚Paranormal‘ sorgfältig übersetzt, sollte das deutsche Wort eigentlich nicht Übernatürlich lauten, sondern Widernatürlich. Aber das klingt so feindselig, als wollte es sich nicht der Wirklichkeit fügen. Vielleicht kann es nicht anders?Sehr fest glaube ich ohnehin nicht an die Realität. Sie hat sich mir zu oft als fragwürdig gezeigt. Ich halte sie für ein redlich gemeintes, doch wenig überzeugend ausgeführtes Hilfsmittel, das etwas nach Pappe und Kleister riecht. Wir benötigen die Realität, damit wir etwas haben, worauf wir stehen können. Auch die höhere Mathematik braucht solche Hilfskonstruktionen, im Wissen, dass es sie eigentlich nicht gibt. Ich hab das nie sehr gut begriffen, aber ich denke, es eignet sich auch nicht zum Begreifen. Man soll nur damit arbeiten. Ebenso ist die Wirklichkeit anzuwenden. Daraus ergibt sich, dass man sie nicht zu scharf anschauen darf. Denk nicht drüber nach, benutze sie einfach. Eine ganz besonders gute Methode, mit dieser etwas wackeligen Realität zu arbeiten, ist die ‚wir alle‘-Methode. Wir alle wissen doch – Wir alle haben doch schonmal – Wir alle würden doch nie … Das ist eine beruhigende Überzeugung, sich im Bereich der Normalität zu befinden. Anschließend kann man sich in Ruhe vor dem Paranormalen gruseln. Diese ‚Jedermann‘- oder ‚Wir alle‘-Theorie kommt sehr gut in Horrorfilmen zum Tragen, wenn sich die Protagonisten samt und sonders so benehmen, als wurzelten sie tief in der Realität. Sie müssen selbstverständlich normal bis trivial sein, Allerweltsmenschen, (sonst kann sich der Zuschauer nämlich nicht identifizieren – und nicht gruseln). Das Anormale oder Paranormale macht ihnen Angst. Sie reagieren stets so, wie ‚man‘ das macht. Was bedeutet, sie kreischen, rennen weg, fuchteln herum und rufen in die Dunkelheit: „Ist da jemand?“ – obwohl sie wissen müssten, dass dies eine Aufforderung ist, sofort gekillt oder, wahlweise, zu Tode erschreckt zu werden. Die Leute in Gruselfilmen tun meistens so, als hätten sie selbst noch nie einen Gruselfilm gesehen und ahnten deshalb nicht, wie man sich auf keinen Fall verhalten sollte. Sie sind niemals cool (sie riskieren höchstens eine große Klappe, solange noch Zeit wäre, nach Hause zu gehen. Wenn’s dann gefährlich wird und das Monster sie zerfleischt, empfindet der Zuschauer entsprechend wenig Mitleid.) Sie machen immer das, was typisch ist – was, kurz gesagt ‚Wir alle‚ machen würden. Beispielsweise, sobald sie irgendwo eingesperrt sind, an der Tür rütteln und rufen „Lasst mich raus!“ oder, wenn das Monster sie abschleppt, schreien: „Lass mich los!“ Solche Aufforderungen haben zwar überhaupt keine Aussicht, erfüllt zu werden. Aber darum geht es auch nicht, sondern: Man macht das so. Ich sah mal einen englischen Film, in dem der Hausvater nachts, im Pyjama auf dem Weg die Treppe hinunter, einer grauenhaften dunklen Gestalt begegnet, im Anmarsch auf das Schlafzimmer der Tochter. Er schreckt kurz zusammen und murmelt dann: „Oh – it’s only the Vampire again …“, bevor er weitergeht. Das ist NICHT gruselig, sondern amüsant und sehr englisch. Die Leute auf dieser Insel sind an Übernatürliches gewöhnt. Und normal sind sie auch nicht.Glücksfaktor: Alles ist (wie der Philosoph Peter Russel meint) Bewusstsein …