Heute


Heute

Posted by admin on 10. April 2020

Gesundheit!

Es hat sich viel geändert in diesem ersten Vierteljahr 2020.

Zum Beispiel müssen sich die Leute, die es schwer aushalten, wenn ihnen an der Kasse oder vom Paketboten ‘Noch ein schöner Tag!’ gewünscht wird, nicht mehr ärgern. Inzwischen sagt man: ‘Bleiben Sie gesund!’

Einmal sowieso. Und dann natürlich wegen Corona. Man könnte auch sagen: ‘Lassen Sie sich nicht erwischen!’

Ernst hat Heuschnupfen. Hat er jedes Jahr um diese Zeit, das hat was mit Honig und den Bienen und Allergie zu tun; er ist ja auch schon paarmal gestochen worden.

Mami und der Löwepapi wachen jetzt meistens auf, weil Ernst niesen muss. Dann sollte man ‘Gesundheit!’ rufen. Sonst ist er nämlich beleidigt und will wissen, ob man ihn nicht mehr lieb hat. Aber einmal reicht, auch bei 14 Niesern.

Ernst hat sehr schöne Taschentücher – Papiertücher mag er nicht.

Nun ist er gestern noch zum Supermark gelaufen, um sich vom Taschengeld Lakritze zu kaufen. Rumlaufen soll man ja nicht. Spielplätze sind zu. Zur Hetlinger Schanze, spazieren gehen: Nee. Osterausflug – bloß nicht. Verwandte oder liebe Tanten – ewig nicht gesehen. Nicht mal den richtigen Papi, das geht auch nicht, der macht Hohmoffiss mit drei Computern und Kopfhörer und darf überhaupt nicht gestört werden.

Ernst, du bekommst doch zu Ostern Schoko-Eier und Häschen und noch eine Überraschung!

Auch Lakritze?

Nein, die zufällig nicht.

Also läuft er schnell los: Einkaufen darf man.

Und kommt heulend nach Hause.

Hast du dir wehgetan? War die Lakritze alle? Hat dein Geld nicht gereicht?

Alles nicht. Aber Ernst hat geniest, in sein schönes grünes Taschentuch. Und da hat ein Mann ihn angebrüllt, er soll in den Ärmel husten!

Also, erstmal hat er nicht gehustet, sondern geniest. Und außerdem, wieso soll er den Ärmel nehmen, wenn er ein schönes grünes Taschentuch hat??!

Jetzt hat er Lakritze, ist aber zu traurig und böse, um sie zu essen. Und er möchte bitte eine Schnauzenmaske.

Haah – tschie!!

Gesundheit, Ernst …

Glücksfaktor: Wenn es nur Heuschnupfen ist.

Posted by admin on 9. April 2020

Bazillen als solche …

Offenbar sind sie in vielen Beziehungen charakterlich akzeptabler als Viren. Sie leben auf uns und an uns und in uns, viele sind nützlich, manche sogar unentbehrlich. Wenn wir sie durch allzuviel Reinlichkeit auf unserer Haut beeinträchtigen oder durch ungesunde Ernährung in unserer Darmflora stören, dann geht es uns schlecht.

Andererseits: Wenn wir Bazillen von zweifelhaftem oder miesem Charakter auf uns oder in uns beherbergen, dann tun sie uns überhaupt nicht gut. Meistens neigen sie dazu, Entzündungen anzurichten. Irgendwas drinnen oder draußen schwillt an, tut weh und wird heiß. Dann raufen sich die Bazillen mit unseren Abwehrkräften. Das kann tödlich enden, und zwar für uns. Insofern ist es besser, sie rechtzeitig durch Reinlichkeit zu verscheuchen.

Vielleicht kann man sich die guten Bazillen als Raubtiere vorstellen, die zu Hausgenossen geworden sind wie Hunde oder Katzen. Sie jagen gewissermaßen Ungeziefer, also auch böse Bakterien, Pilze oder sogar Viren. Und wenn wir ein Antibiotikum einnehmen, dann zerstört das nicht nur die bösen Bazillen, sondern auch die guten: Ein Antibiotikum hat keinen Sinn für Moral und macht keinen Unterschied zwischen gut und böse, es ist, wie sein Name schon sagt, ‘lebensfeindlich’.

Übrigens ist es kompliziert, einen Bacillus beim richtigen Namen zu rufen. Bacilli sind eine spezielle Sorte, alle miteinander heißen so, weil sie stäbchenförmig sind (und es ist sehr die Frage, ob sie die Bezeichnung nicht für diskriminierend halten). Bakterie ist womöglich der Familienname, aber auch das ist schwer zu erklären. Dann gibt es noch Kokken, die kugelförmige Figuren besitzen.

Auf Bildern sehen Bakterien häufig nicht sehr hübsch aus – manchmal wie eine Schüssel voller Nudeln …

Glücksfaktor: die richtigen Mikroorganismen in der wünschenswerten Menge …

Posted by admin on 8. April 2020

Aids – die Seuche der Außenseiter?

Seit es sie gibt, starben 35 Millionen Menschen an der Epidemie. Gar nicht mal so wenig, wenn man bedenkt, dass das HI-Virus sich erst in den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts der Öffentlichkeit vorstellte.

Im Gegensatz zu den meisten anderen Epidemie-Erregern, die oft lange vor unserer Zeitrechnung die Menschheit belästigten, ist Aids blutjung. 1981 berichtete die amerikanische Gesundheitsbehörde über die Häufung von durch einen Pilz ausgelöste Lungenentzündungen in Los Angeles. Eigentlich kannte man so etwas nur bei Patienten mit ausgeprägter Immunschwäche und entsprechenden Vorerkrankungen. Bei diesen Betroffenen handelte es sich jedoch um vorher gesunde Männer. Bemerkenswert daran: Alle waren homosexuell.

Bald darauf gab es in anderen amerikanischen Städten Erkrankungen mit dem Kaposi-Sarkom (Tumore auf der Haut, an Schleimhäuten und im Darm), ebenfalls eine Krankheit, die überwiegend Patienten befiel, deren Immunsystem stark geschwächt war. Und wieder ging es um homosexuelle junge Männer. Allmählich wurde klar, dass da etwas unheimliches Neues entstanden war …

Inzwischen meint man zu wissen, wo das Virus herkam: aus Zentralafrika. Ein Forscherteam sammelte in Kamerun unverdrossen mehr als 440 Kotproben von freilebenden Schimpansen. In dem Poopoo befanden sich entsprechende Antikörper gegen den schimpansischen HI-Virus; dennoch sind die Schimpansen nicht die eigentliche Ursprungsquelle. Sie haben vielmehr wahrscheinlich kleinere Affenarten massakriert und verspeist, die einen Vorläufer des Virus in sich trugen.

Eventuell wirft das die Frage auf, ob Schimpansen auch gut beraten wären, nicht so viel Fleisch zu essen. Vor allem jedoch zeigt es die Gelenkigkeit vom HIV, das gleich am Anfang seines Daseins zweimal die Artengrenze übersprang. Einmal vom Affen zum Menschenaffen, dann vom Menschenaffen zum Menschen. Es wird angenommen, dass Jäger die infizierten Schimpansen gegessen haben. Und da hatten sie die Infektion.

Weiter ergaben Forschungen, dass der Erreger aus Kamerun ungefähr 1966 nach Haiti gelangte, sich dort gelinde verbreitete und dann aufmachte, um die Welt zu erobern. 1969 erreichte er Nordamerika und tändelte ein wenig zwischen heterosexuellen Paaren herum, bevor er sich begeistert auf den homosexuellen Anteil der Bevölkerung stürzte. Da hatte er eine seiner Zielgruppen gefunden! Denn deren Art von Liebe hinterlässt viel häufiger kleine Verletzungen, die HIV braucht, um sich einzunisten.

Ebenfalls oft und gern ließ das Virus sich mit Drogenabhängigen ein, die brüderlich oder schwesterlich ihre Spritze teilten, und recht lohnend fand

es auch die vielen Menschen, die Bluttransfusionen brauchten. Inzwischen ist zumindest diese Möglichkeit der Ansteckung hierzulande äußerst gering. Es heißt, das Risiko, über infiziertes Blut in Deutschland HI-Viren zu bekommen, werde auf 1 zu 4,3 Millionen geschätzt. Das ist doch eine gute Quote.

Eine besonders hässliche Methode, das Virus zu verbreiten gibt es leider überall, wo Mädchen Genitalverstümmelungen erleiden. Häufig wird das in großer Anzahl mit verunreinigten, immer wieder gebrauchten Werkzeugen praktiziert. In südafrikanischen Gebieten leiden deshalb teilweise mehr als 20% der jungen weiblichen Bevölkerung bereits an Aids.

Das HI-Virus überträgt sich durch Blut (am liebsten), Sperma, Liquor (das ist Gehirnwasser oder Gehirn-Rückenmark-Flüssigkeit) Vaginalsekret und Muttermilch. Am häufigsten durch ungeschützten Sex, es ist nun mal, wenn es auch andere Wege findet, eine Geschlechtskrankheit.

Das HI-Virus überträgt sich NICHT durch Speichel, Tränen, Insektenstiche, normalen (also moralisch völlig einwandfreien) Körperkontakt, gemeinsames Geschirr oder Besteck – oder dasselbe Klo. Ach, und noch eine gute Nachricht: Durch Küssen, selbst stundenlanges, überträgt sich HIV auch nicht.

Es ist zweierlei, mit dem Virus angesteckt zu sein – oder Aids zu haben. Letzteres gilt erst ab einem bestimmten Stadium der Infektion.

Während ich diese kleine Serie schreibe, ist mir klar geworden, dass offenbar jede anständige Seuche anfängt wie eine unschuldige Grippe. Ich bekomme seitdem mehr und mehr Verständnis für Menschen, die bei Erkältungssymptomen in Panik geraten. Man kann wirklich nie wissen, was draus wird.

Auch diese Infektion beginnt also, zwei bis sechs Wochen nach einer Ansteckung, mit Fieber, Kopfweh, Gelenkschmerzen, Durchfall, Schluckbeschwerden wegen geschwollener Lymphknoten, Hautausschlag und Gewichtsverlust.

Manchmal kommt es vor, dass sich jemand zwar angesteckt hat – doch er bemerkt die Grippe-Symptome nicht, weil er ein harter Kerl ist. Oder weil er wirklich keine hat. Auf die Art erfährt er zunächst nicht, dass er ein gefährliches Virus in sich trägt. Und dass er andere damit ansteckt …

In der nächsten Zeit tut sich dann – nichts. Wer weiß, dass er HIV-positiv ist, der kann sich grämen und sich therapieren lassen, um den Ausbruch der Krankheit hinauszuzögern. Schmerzen hat er keine, während sich das Virus damit beschäftigt, sich zu vervielfältigen und Krieg zu führen mit den körpereigenen Abwehrkräften. Manche Menschen bekommen einige Monate nach der Ansteckung Aids. Bei anderen dauert diese Phase mehrere Jahre. Woran das liegt, bleibt das Geheimnis des Virus.

In vielen Fällen erleiden Unbehandelt jedoch nach einigen Jahren eine Reihe ‘opportunistischer Infektionen’. Weil das Immunsystem inzwischen durchlöchert ist wie ein zu oft gewaschenes Taschentuch, hat der Organismus keine Verteidigungsmöglichkeit mehr. Andere Viren, Bakterien, Pilze und Parasiten erhalten freie Bahn. Wenn schließlich bösartige Tumoren und ‘AIDS-definierte Infektionen’ auftreten, dann und nicht eher folgt die Diagnose AIDS.

Aber wenn AIDS ein Todesurteil ist, dann inzwischen keins mehr, das schnell vollzogen wird. Wie ein verurteilter Verbrecher Jahrzehnte in seiner Zelle auf die Giftspritze wartet, so schmort mancher Patient im Wechsel zwischen Verzweiflung und der Hoffnung auf Begnadigung. Inzwischen kennt man fünf oder sechs Personen auf der Welt, die HIV-positiv waren, jetzt aber keinen Virusbefund mehr zeigen.

Ein Impfstoff existiert nicht, hauptsächlich wegen der Geschmeidigkeit und Beweglichkeit des Virus, der es schafft, sich immer wieder zu ändern und auszuweichen. Heute leben ungefähr 90.000 Menschen in Deutschland, die HIV-positiv sind. Inzwischen gibt es so effektive Medikamente, dass die Betroffenen eine nahezu normale Lebenserwartung haben und ein fast normales Leben führen können. Wird HIV rechtzeitig erkannt und behandelt, kann man vermeiden, dass AIDS daraus wird.

Viel schlimmer ist es südlich der Sahara, wo jeder Zwanzigste infiziert ist, übrigens vor allem durch heterosexuellen Verkehr. Durch AIDS ist hier in einigen Ländern die Lebenserwartung um mehr als zehn Jahre gesunken. Inzwischen ändert sich das ein wenig, weil es mehr Information und Aufklärung gibt. Das wurde zwanzig Jahre lang von der Katholischen Kirche verhindert: Der Papst hatte ein kleines Problem mit Präservativen und präventivem Gequatsche wie Aufklärung in den Schulen. Er fand, solange die Leute sich manierlich verhielten, könne ihnen schließlich nichts passieren.

Das Nachrichtenmagazin SPIEGEL nannte die Krankheit 1983 ‘Schwulenpest’ und beklagte, dass die Betroffenen ausgegrenzt würden. Das war ganz sicher so. Sie wurden ausgegrenzt, weil man sich nicht an ihnen anstecken wollte. Und sie wurden ausgegrenzt, weil sie schwul waren. Bis zum 11. Juni 1994 machten sich nach Paragraph 175 des Deutschen Strafgesetzbuches männliche Personen strafbar, wenn sie ‘unzüchtige Handlungen’ miteinander begingen. Das konnte Freiheitsstrafen bis zu fünf Jahren geben.

Der Papst war ja auch dagegen.

Im klassischen Altertum wurde Homosexualität gesellschaftlich akzeptiert,

im Mittelalter galt sie zwar bereits als Sünde, jedoch noch nicht als Verbrechen. Das wurde ab dem 13. Jahrhundert in Europa anders. Man veranstaltete Hunderte von Hinrichtungen, oft durch Verbrennen der Sünder. Bischof John Atherton und seinen Verwalter John Childe hängte man beispielsweise wegen Sodomie 1640 in Dublin an den Galgen.

Jahrhundertelang hatten Homosexuelle überhaupt keine Lobby. Wer nicht anders konnte, der lebte seine Neigung so geheim wie möglich aus. Die allermeisten Karrieren wären daran gescheitert, wenn es rausgekommen wäre. Von vielen berühmten und bekannten Männern hat man erst lange nach ihrem Tod erfahren, wie sie sich ihr Leben lang damit herumgequält haben. (Um das mal zu sagen: homosexuelle Frauen wurden nicht annährend so schikaniert.) Etliche dieser Männer haben Frauen geheiratet, um ihre Neigung zu vertuschen und, Gott behüte, einen ‘normalen’ Eindruck zu machen.

Das tat auch der riesengroße, bildhübsche Roy Scherer, nachdem er unter dem markigen Namen Rock Hudson ein Hollywoodstar geworden war, der anderen Herren Kinnhaken verteilte und schöne Frauen küsste – vor der Kamera. Rock Hudson stellte über Jahrzehnte den kraftvollen, durch und durch männlichen Amerikaner dar, eine Identifikationsfigur, gern auch als charmanter Schürzenjäger. 1955 spielte er den Gatten von Elizabeth Taylor im Film ‘Giganten’. Da war er gerade seit einem Jahr mit Phyllis, der sympathischen Sekretärin seines Agenten, verheiratet und mimte auch privat den Ehemann. Die Ehe hielt drei Jahre, dann erwische Phyllis ihren Rock mit einem Mann, reichte die Scheidung ein, klatschte die Sache jedoch nicht herum. Seine Freundschaft mit Elizabeth Taylor hielt länger, sicherlich, weil er ihr nichts vormachte und weil sie eben nur gute Kumpel waren.

1982 fand im weißen Haus eine Pressekonferenz statt, und als ein Reporter Präsident Reagan eine Frage zur AIDS-Seuche stellte, antwortete der mit einer flapsigen Bemerkung. Schließlich war diese neue Seuche – bei aller Liebe – doch nur ein Problem der Randgruppen, Junkies und warme Brüder. Haha.

In den folgenden Jahren änderte sich allerdings eine Menge in der Wahrnehmung. So wurde etwa 1985 bekannt, dass bei Patienten, die auf ständige Blutspenden angewiesen waren und die HIV-infiziertes Blut bekommen hatten, die Ansteckungsrate ihrer Ehefrauen bei 70% lag. Das war nicht mehr witzig und da fehlte auch der ‘Selber-schuld-Effekt’. Mehr noch, plötzlich kam das Gefühl auf: Das könnte uns alle treffen! Zumindest, solange wir ein Liebesleben haben. Der Papst meinte ja an dieser Stelle, man sollte es im Ehebett tun oder gar nicht. Und noch nicht einmal das hatte den Frauen der Blutkranken genützt.

Irgendeiner profitiert immer – dies war die Stunde der Gummifabrikanten. Im Übrigen wurden die Mitbürger aufgeklärt: ‘Gib AIDS keine Chance’, man trug ein rotes Schleifchen am Jackenaufschlag. Hella von Sinnen saß in einem Werbespot zum Thema an der Ladenkasse und brüllte ohne Mitleid mit ihrem verlegenen Kunden durch den Laden: “Tina, wat kosten die Kondome?”

Dann, 1985, starb Rock Hudson und outete sich ganz zum Schluss. Die Menschheit war sprachlos. Bitte?! – Der?! Aber der war doch kein Friseur – keine Tunte? Im selben Jahr fand in Atlanta die erste Welt-AIDS-Konferenz statt. Zwei Jahre später entrang sich auch Ronald Reagan zum Thema einige ernsthafte Worte. Es blieb ihm nichts Anderes übrig – Elizabeth Taylor hatte ihm einen geharnischten Brief geschrieben, er möge sich bitte einbringen. Sie wurde Vorsitzende einer der ersten großen AIDS-Benefiz-Veranstalter und gründete 1991 ihre eigene AIDS-Foundation. Da war die Seuche längst zur Pandemie geworden.

Aber der HI-Virus änderte allmählich, zumindest, solange der Papst nicht zu Worte kam, die Einstellung zu Homosexualität. Zwischen 1985 und 1995, der Zeit, in der die Krankheit immer mehr Opfer suchte, wurde es Mode, sich zu outen, sogar im prüden, verklemmten Amerika.

Als Freddie Mercury starb, 1991, hatte das schon ein anderes Echo, von vornherein mehr Verständnis und Liebe der Fans. Er war ein so begnadeter Sänger gewesen, und schließlich, was er in seiner Freizeit getan hatte, war seine Sache …

1993 spielte Tom Hanks im Film Philadelphia einen aidskranken Homosexuellen, der sich gegen Diskriminierung wehrt, kassierte dafür den Oscar und machte einige seiner homophoben Mitbürger nachdenklich.

Die schreckliche Seuche, die so viel Leid verursachte und so viele Leben forderte, hat andererseits große, verhärtete Stücke von Intoleranz, Bigotterie und Selbstgefälligkeit losgebrochen.

Glücksfaktor: Ein alter, irischer Spruch – ‘Es ist kein Unglück, noch so groß, es hätt’ nicht etwas Glück im Schoß …’

Posted by admin on 6. April 2020

Syphilis, das unmoralische Übel

Das ist keine Krankheit, mit der sich angeben lässt oder auf die man stolz sein kann. Deshalb sind immer die anderen dran schuld. Die Italiener nannten sie ‘Morbus Gallicus’, die Franzosen ‘Italienische Krankheit’. In Polen behauptete man, die peinliche Seuche stamme aus Deutschland.

Aber weil genau ab 1493, kaum, dass Columbus mit seiner Mannschaft vom frisch entdeckten Amerika zurück war, die vermeintlich ersten Fälle in einigen Hafenstädten auftraten, wusste man, woher das Übel kam: von den Indianern, diesen Ferkeln!

Ruy Diaz de Isla, ein spanischer Arzt, war zutiefst überzeugt davon. Er beschrieb 1515, wie er ein paar Leute von der Schiffsmannschaft des Columbus im Jahr 1493 behandelt hatte und dass er nie vorher etwas gesehen habe wie ihre syphilitischen Geschwüre, unzweifelhaft Reisemitbringsel.

Andererseits kann das so nicht stimmen. Der Arzt Hippocrates, der nachweislich nicht mit an Bord war, als Columbus die Neue Welt entdeckte, sondern um 400 vor Christi in Griechenland praktizierte, wusste bereits von diesem delikaten Leiden und hat es ausführlich beschrieben.

Außerdem wurden englische Mönche des 13. Jahrhunderts ausgebuddelt, deren Skelette offensichtlich von der Lustseuche gezeichnet waren. Was dafür spricht, dass die frommen Männer erstens die Sache mit der Enthaltsamkeit nicht so genau nahmen – und es zweitens die Syphilis schon gab. Ganz ohne indianische Hilfe.

Die Vermutung geht dahin, dass der Erreger um 1495 herum aus irgendeinem Grund mutierte und sehr viel aggressiver wurde. Denn tatsächlich gab es bald kaum noch eine prominente Seele (von unbekannten Personen ganz zu schweigen), die sich nicht ansteckte und über kurz oder lang voll hässlicher Geschwüre herumlief.

Syphilis ist ungewöhnlich ansteckend. Und ja – man kann sich auch anders anstecken – durch kleine Wunden an sittsamen Stellen – es gibt die merkwürdigsten Zufälle. Doch wenn wir ganz ehrlich sind, wissen wir genau, wie dieses Leiden normalerweise übertragen wird. Es gehört nun mal zur großen, glücklichen Familie der Geschlechtskrankheiten.

Ausgerechnet 1494, Columbus war kaum aus Amerika wieder da, hatte der französische König Karl VIII. den Einfall, sich Neapel einzuverleiben. Seine Streitmacht bestand vor allem aus bunt zusammengewürfelten Söldnern, Männern von überallher, die für Geld kämpften und nicht aus politischer oder vaterländischer Überzeugung: ‘This Gun’s for hire’. Das war ein ganz bestimmter Menschenschlag – kurz gesagt keine sensiblen Asketen. Während der Belagerung und Besatzung Neapels gab es sehr bald kaum noch einen wackeren Soldaten ohne Erstsymptome. (Und wer sich fragt, wie sich der Erreger verteilte: Es lebten viele Marketenderinnen und Wanderhuren bei so einem Heer.) Eine wunderbare Brutstätte. Von hier aus überzog die Syphilis zuerst Mittel- und Norditalien und dann sämtliche Herkunftsländer der Söldner. Für rund fünfzig Jahre, bevor sie sich ein wenig beruhigte, tobte die Seuche sich in Epidemien ungebremst in Europa aus und hatte Spaß. Die Patienten hatten erst Spaß und dann die Seuche.

Astrologen zumindest wussten sofort, woran es lag. 1484 war wieder mal diese seltene Konjunktion von Saturn und Jupiter entstanden, ausgerechnet im Skorpion, zuständig für das Geschlechtliche!

Die Kirche wusste ebenfalls, was der Grund war. In diesem Fall ja wohl wirklich laut und deutlich die Sündhaftigkeit der Menschen!

Durch diese scharfe Verurteilung übrigens traute sich die Wissenschaft über lange Zeit nicht so recht, daran herumzuforschen. Schließlich waren die Patienten alle selbst schuld. Vielleicht auch deshalb dauerte es ewig, bis die Menschheit sich aus dieser Patsche helfen konnte.

Lange existierte keine vernünftige Behandlungsmethode. Die Ärzte verabreichten den Erkrankten jahrhundertelang Quecksilber, weil sie hofften, damit die Symptome auf der Haut zu lindern. Durch die Schwermetallvergiftung bekamen die Patienten blaues Zahnfleisch – Zahnausfall – Durchfall – Nierenfunktionsstörungen bis zum Nierenversagen – Sprachstörungen – Sehstörungen und unkontrollierbares Zittern. Eigentlich schien der Zustand unter Behandlung nicht erheiternder als ohne. Da war es eventuell besser, sein Leben enthaltsam zu verbringen. Oder jedenfalls nicht zum Arzt zu gehen …

Über Jahrhunderte folgte der Sünde die Strafe. Bestraft waren beispielsweise Papst Alexander VI (und etliche andere Päpste), Beethoven, Chopin, Dürer, Gauguin, Heine, Katharina die Große, Maupassant, Nietzsche, Paganini, Rembrandt, Schopenhauer, Schubert, Schumann, Toulouse-Lautrec, Wallenstein und Oscar Wilde … Es ist kaum möglich, alle aufzulisten, die sich angesteckt haben.

Die dänische Schriftstellerin und afrikanische Kaffeefarmerin Karen (Tanja) Blixen hatte eine besondere Beziehung zur Syphilis. Ihr Vater infizierte sich mit der Geschlechtskrankheit und erhängte sich, nachdem er die Diagnose erhielt – da war Karen zehn Jahre alt. Sie verliebte sich als junge Frau unglücklich in ihren Kusin Hans von Blixen und heiratete 1914, sozusagen als Ersatz, dessen Zwillingsbruder, etwas wie einen Schatten des Mannes, der sie eigentlich interessierte. Sein Vorname war Bror, das heißt auf Dänisch Bruder, und es scheint, als hätte er tatsächlich überwiegend aus Schatten bestanden. Karen schilderte ihn später als charmant und witzig. Doch er war vor allem leichtsinnig und verantwortungslos. Baron Bror von Blixen überließ seiner Frau praktisch insgesamt die Arbeit auf der Kaffeefarm. Er widmete sich inzwischen der Jagd und anderen Frauen, gern auch Prostituierten. Sie waren noch kein Jahr verheiratet, da holte er die Syphilis ins Haus. Karen ließ sich in Dänemark mit den damals verfügbaren Mitteln behandeln, Quecksilber und Salvarsan (eine Arsenverbindung) – also beides Gifte mit schweren Nebenwirkungen. Zwar wurde die Krankheit im zweiten Stadium zum Stillstand gebracht, aber nicht völlig geheilt. Ihr Rückenmark war angegriffen und sie litt ihr Leben lang unter heftigen Schmerzen, Krämpfen und Verdauungsbeschwerden. 1946 und 1955 unterzog sie sich jeweils einer Chordotomie; dabei wurde eine schmerzleitende Nervenbahn zwischen Rückenmark und Magen durchgetrennt. Das brachte eine gewisse Erleichterung.

Syphilis, wenn unbehandelt, verläuft genießerisch in verschiedenen Stadien und macht dazwischen Kunstpausen. Es fängt mit schmerzlosen Geschwüren an, die dort sitzen, wo gesündigt wurde. Dazu schwellen die Lymphknoten drohend an. Wochen oder erst Monate später kommt es zu Hautausschlägen, die den ganzen Körper bedecken können. Manchen Patienten fallen die Haare aus oder sie bekommen Augenentzündungen. Das dauert vielleicht vier Monate, dann erfolgt die nächste Pause, ein Stillstand womöglich für Jahre. Inzwischen verbreiten sich die Erreger im ganzen Körper. Sie befallen alle inneren Organe, Blutbahnen und Lymphknoten, Magen, Leber, Knochen und Muskeln. Gummiartige Knoten bilden sich an Haut und Schleimhaut, auch große Geschwüre. Im Gaumen entsteht gern ein immer weiter werdendes Loch, ein Zugang zur Nasenhöhle. Dann kommt es zu Entzündungen im zentralen Nervensystem, im Gehirn und Rückenmark. Die Beine gehorchen nicht mehr (in der Literatur des 19. Jahrhunderts werden gern Spätsyphilitiker beschrieben, die ungewollt nach hier und dort torkeln). Die Schließmuskeln geben auf, was Windeln erfordert. Das Sprachzentrum ist gestört – und zuletzt weiß man Gottseidank sowieso nicht mehr, was los ist …

Aber dann kam der schottische Bakteriologe Alexander Fleming! Im September 1928 entdeckte er durch Zufall, dass Schimmelpilze der Gattung Penicillinum, die aus Versehen in eine Staphylokokken-Kultur geraten waren, den Bakterien gar nicht gut taten. Er erforschte die Sache gründlich – und landete beim ersten Antibiotikum, dem Penicillin. Wofür Fleming 1945 sehr zu Recht den Nobelpreis bekam.

Dazu wäre zu sagen: Peniccillus gehört zur Gattung der Schlauchpilze. Diese Mikroorganismen besitzen Fortpflanzungsorgane, doch, wirklich! und haben Sex. Sie bilden ziemlich niedliche Geschlechtszellen, die Gameten heißen, und können gewissermaßen mit einer Pilzin Nachwuchs anfertigen. Kein Wunder also, dass ausgerechnet solche Geschöpfe Sinn dafür haben, die Syphilis zu bekämpfen.

Immer noch ist die Seuche weltweit verbreitet. In Industrieländern sind vor allem die Großstädte betroffen und hier besonders homosexuelle Männer. Die WHO schätzt die Zahl der Neuerkrankungen auf ungefähr zwölf Millionen Fälle jährlich. Die meisten Ansteckungen gibt es in Entwicklungsländern.

Im Ganzen kann man jedoch sagen, dass Flemings Entdeckung ein ungeheurer Segen für die sündhafte Menschheit war …

Glücksfaktor: Pilze mit Verständnis für Leidenschaft und Romantik!

Posted by admin on 5. April 2020

Scharlach – die gefährliche Kinderkrankheit

Scharlach ist eine Farbe; ein aggressives, etwas ins Gelbliche spielendes Rot. In dieser Farbe leuchtet die Mundhöhle eines Menschen, der sich damit infiziert hat. Oft ist die Zunge zunächst einige Tage weiß belegt, bevor sich das zeigt, was ‘Himbeerzunge’ genannt wird. Normalerweise dringen die Erreger – Streptokokken, eine Bakterienart – durch den Nasen- oder Rachenraum ein, übertragen durch Tröpfchen oder verunreinigte Gegenstände. Allerdings verschmähen sie es auch nicht, hin und wieder mittels offener Wunden in den Körper zu gelangen, falls es sich ergibt.

Der Patient leidet zunächst an intensivem Halsweh und Schluckbeschwerden. Dazu kommen eine Reihe grippeähnlicher Symptome wie hohes Fieber, Schüttelfrost, Kopf- und Gliederschmerzen. Bis hierhin könnte es noch alles Mögliche sein, viele Infektionskrankheiten fangen auf dieselbe Art an. Erscheinen – meist überall auf dem Körper und auch im Gesicht – eine Menge roter Pünktchen, dann weiß der Arzt Bescheid. Vor allem, wenn rund um Mund und Kinn eine Fläche ungepünkelt bleibt. Das nennt sich Milchbart, ein weiteres typisches Anzeichen der Krankheit.

Im 9. Jahrhundert erschien der Erreger zum ersten Mal in Europa und tauchte von da ab in Wellen immer wieder auf. 1824 forderte eine Epidemie in Frankreich eine ähnlich hohe Sterblichkeitsrate wie Pest und Cholera – und war ebenso gefürchtet. Scharlach galt damals schlicht als die tödlichste aller Kinderkrankheiten, und am meisten gefährdet waren Kinder zwischen vier und sieben Jahren.

Doch natürlich konnten sich auch Erwachsene damit anstecken. Caroline Mathilde, die unglückliche Königin von Dänemark, die wegen ihrer Affaire mit Struensee vom Hof verbannt worden war, lebte im Exil in Celle, als dort im Mai 1775 eine Scharlachepidemie grassierte. Sie hatte eine kleine Pflegetochter angenommen, denn sie liebte Kinder sehr; ihre eigenen waren ihr weggenommen worden. Das kleine Mädchen erkrankte, und Caroline Mathilde wollte sie unbedingt selber pflegen. Sie verbrachte den ganzen Tag am Krankenbett – und war einige Tage später tot, erst 23 Jahre alt. Wegen der Infektionsgefahr setzte man die Königin noch in derselben Nacht in der Fürstengruft bei, ohne große Feierlichkeiten.

Der Dichter Friedrich Rückert hatte 1833 sechs Kinder, fünf Söhne und eine Tochter, Luise. Im Dezember erkrankten alle Rückert-Kinder an Scharlach.

Vier der Jungen überlebten, aber ausgerechnet die dreijährige Luise, die er über alles geliebt hatte sowie sein erklärter Lieblingssohn, der beinah sechsjährige Ernst, starben. Friedrich Rückert kam nie über den Tod seiner beiden Kinder hinweg. In den Jahren 1833/1834 schrieb er 428 Gedichte, die er „Kindertotenlieder“ nannte: “im Gedenken an meine beiden liebsten und schönsten Kinder“.

Du bist ein Schatten am Tage,
Doch in der Nacht ein Licht;
Du lebst in meiner Klage
Und stirbst im Herzen nicht

Der Komponist Gustav Mahler vertonte 1904 einige dieser Gedichte, natürlich mit entsetzlich schwermütigen Melodien. Seine junge Frau Alma, (die sowieso gerade anfing, in ihrer Ehe von Herzen unglücklich zu sein), konnte absolut nicht begreifen, was ihrem Mann ins Geweih gefahren war, Kindertotenlieder zu komponieren, während seinen beiden lebendigen kleinen Töchtern glücklich im Garten spielten. Alma wurde das dumpfe Gefühl nicht los, dass ihr genialer Gatte hier das Schicksal herausforderte. Und – siehste! – 1907 erkrankten die beiden kleinen Mächen an Scharlach. Anna, die jüngere, überlebte, aber die vierjährige Maria starb, nachdem noch Diphtherie dazugekommen war. Und auch gerade sie (die er Putzi genannt hatte) war das Lieblingskind ihres Vaters gewesen …

Literarisch wurde Scharlach häufig bemüht, um Verwicklungen zu verstärken oder zu entwirren, je nach dem. Im Roman ‘Heut heiratet mein Mann’ von Annemarie Selinko, gibt es genau zum Kriegsbeginn 1939 in Dänemark eine Scharlachepidemie, an der sich auch Thesi, die Heldin, ansteckt. Während sie von Freunden, die sie im Krankenhaus (hinter einer Glasscheibe) besuchen, die neuesten Nachrichten hört, bleibt ihr nichts, als im Bett zu liegen und sich Hautfetzen abzuzupfen – denn wer Scharlach hatte, der pellt sich.

Und das berühmte ‘Nesthäkchen’ von Else Uri, eine Kinderbuchreihe vom Anfang des 20. Jahrhunderts, liegt mit Scharlach – und ohne Antibiotika, die gab es noch nicht – derart lange im Krankenhaus, dass es schließlich noch einmal laufen lernen muss.

Es existiert keine Schutzimpfung, und auch, wer bereits erkrankt war, ist keineswegs immun. Bei Erwachsenen verläuft die Krankheit meistens schwerer als bei Kindern – rund ein Viertel aller Fälle (im Jahr ungefähr 50.000 Menschen in Deutschland) betrifft sie. Dank Antibiotika ist Scharlach beherrschbar geworden. Besiegt jedoch auf keinen Fall. In den Schwellenländern Osteuropas wüten ständig neue Epidemien, und auch aus England werden seit 2009 viele neue Fälle gemeldet, noch dazu mit erhöhter Sterblichkeit. 2016 verzeichneten englische Gesundheitsämter 620 Ausbrüche mit jeweils fast 20.000 Erkrankungen, immer im Frühling.

Trotzdem, die ganz große Macht der Krankheit, die Eltern verzweifeln ließ, scheint gebrochen …

Glücksfaktor: in diesem und ähnlichen Fällen dann wirklich mal Penicillin & Co.!