In wieviel Jahrzehnten von jetzt an werden Menschen sich mit aufgerissenen Augen und einigem Grusel vielleicht gegenseitig fragen: „Ist das wirklich möglich – früher hat man tote Tiere gegessen? Fast jeder hat das gemacht?“
So wie man heute kaum noch glauben kann, dass vor 40 Jahren nahezu jeder geraucht hat, weil das eine Selbstverständlichkeit war. In jedem Restaurant, in jedem Bus. In Schulen gab es Raucherzimmer für ältere Schüler. Niemand merkte, dass Kleider oder Möbel nach Nikotin stanken, weil’s überall so roch. Auf Partys, in Büros und in Diskotheken waberte der Qualm herum wie Nebel.
Im Moment ist Tiere essen noch selbstverständlich für die meisten. Viele Mediziner argumentieren, der menschliche Körper benötige Fleisch.
Vor langer Zeit gab es die Hühnerhof-Idylle mit wenigen frei herumlaufenden, scharrenden und sandbadenden Tieren. Die sollten Eier spenden und irgendwann wurden sie geschlachtet: Kopf mit dem Beil abgehackt nach einem vergleichsweise glücklichen Leben. (Sowas haben Menschen sich auch gegenseitig angetan, ohne sich allerdings zu verspeisen. Meistens jedenfalls.)
Dann kam das Gewinnstreben auf den Hühnerhof. Die armen Vögel wurden auf engstem Raum in Legebatterien zusammengequetscht und mutierten plötzlich zu Herstellungsmaschinen. Sie lieferten Eier, bis sie starben. Sie pickten sich aus Verzweiflung gegenseitig die Federn aus, und wenn die weg waren, die Körper blutig. Dadurch konnte sich Kannibalismus entwickeln. War aber nicht so schlimm, rgendwann wurde eine relativ junge Henne als Abfallprodukt der Eierproduktion sowieso entsorgt. Sind ja nur Tiere.
Weil wir Menschen human sind, fiel das nach einigen Jahrzehnten auf und man sah das dann nicht so gern. Gutes Argument: Eier, die auf diese Art entstehen, können doch nicht richtig gesund sein (für Menschen), oder wie?
Es dauerte nur wenige weitere Jahrzehnte, und die Hühner aus den Käfigbatterien wurden erlöst. Also ein bisschen. Eier mussten gekennzeichnet werden als ‚Käfighaltung‘, ‚Bodenhaltung‘, ‚Freilandhaltung‘ oder ‚Bio-Haltung‘.
Käfighaltung soll es ab 2026 nicht mehr geben. Haltet aus, Hühner! Da ist doch ein Ende in Sicht.
Bodenhaltung bedeutet, neun muntere Hennen dürfen sich einen Quadratmeter im Stall teilen. Raus dürfen sie nicht.
In der Freilandhaltung bekommen Hühner Auslauf, zumindest theoretisch, eine Sitzstange statt Maschendraht unter den Füßen.
Hennen aus Bio-Haltung haben es paradiesisch. Kein Käfig. Höchstens sechs Tiere teilen sich einen Quadratmeter, also Platz in Hülle und Fülle. Und in einem Stall dürfen maximal 3.000 Legehennen gehalten werden. Als Futter gibt es vorwiegend Körner und Mais aus ökologischer Erzeugung. Nicht, weil das den Hühnern gut schmeckt, sondern weil den Menschen dann die Eier besser schmecken als die von Hühnern, die man mit Fischmehl füttert. ‚Antibiotika als Leistungsförderer ist für Hennen, die Bio-Eier liefern,verboten“, sagt die Verbraucherzentrale Berlin. Wie schön.
Aber da sickerte kürzlich wieder etwas durch: Freilaufhennen beispielsweise werden am Ausgehen gehindert durch leichte Stromschläge – am Ausgang. Na ja, dafür sind die Eier schön billig.
In den letzten Jahren haben mich Freundinnen häufiger darauf angesprochen, ob ich schon mal die Eier aus der kleinen Bude zwischen Elmshorn und Uetersen probiert hätte? Die seien unvergleichlich im Geschmack. Irgendwann fuhr ich also um den Kreisel über die B431 auf den Sandweg 136.
Da steht ein winziges rotweißes Häuschen, die ‚Eierbude‘ vom Hof Schliecker. Zu klein für einen richtigen Laden, deshalb basiert die Sache auf Vertrauen. Der Käufer bedient sich selbst und wirft das Geld in einen Schlitz im Ladentisch wie in eine Riesensparbüchse. Die Eierbude ist täglich von 7:00 bis 22:00 Uhr geöffnet. Je nach Größe kosten die Eier 20 bis 25 Cent. Und sie sind wahrhaftig jeden Cent wert!
Das wirklich Schöne jedoch ist: Rundherum kann man ganz offen die glücklichen Hühner besichtigen. Sie laufen absolut frei auf einem riesigen Gelände herum. Sie haben gesundes, glänzendes Gefieder. Ich glaube, wenn sie lächeln könnten, dann würden sie das tun …