und es ärgert mich.
Was ich meine ist die sonderbare, doch weit verbreitete Ansicht der Menschen, dass sie sich ähneln wie ein Ei dem anderen oder wie eine Henne der anderen. Nicht äußerlich – aber im Empfinden, in der Weltsicht, in den Erfahrungen.

Wenn ich höre: „Das kennt doch jeder“ – oder: „Das kennen wir doch alle“ stellen sich mir die Nackenhaare auf. Viele – von mir aus. Die meisten – das mag ja noch stimmen. Aber alle? Nie.
Da werden Fremden hemmungslos die eigenen Erfahrungen übergestülpt wie eine Kapuze: „Wir alle haben doch schon mal …“
Nein. Haben wir nicht.
Auf diese Art wird auch vorausgesetzt, dass beispielsweise ‚Keine Mutter das je tun würde!“ Oder kein Vater. Doch, sie würden nicht nur, sie tun es traurigerweise, jedenfalls einige.
Ich bekomme auf Facebook Spielzeug oder Lebensmittel aus vergangenen Jahrzehnten gezeigt mit der Behauptung: „Damit haben wir alle mal gespielt‘ – oder „Das haben wir alle mal gegessen.“
Ein Kulturredakteur erzählt im Radio von einer Sängerin, die mit fünfzehn Jahren genau wusste, dass es für sie sinnvoll wäre, die Schule zu schmeißen und ihre Stimme ausbilden zu lassen, worauf sie jetzt, mit zweiundzwanzig, weltberühmt ist. Und er krönt diese Schilderung mit den Worten: „Was wussten wir über uns, als wir fünfzehn waren? Gar nichts.“
Woher weiß er das?
Eine Literaturkritikerin schreibt über einen Roman mit autobiografischen Zügen eines Mannes, dessen Vater häufig im Gefängnis saß und dessen Mutter an der Nadel hing: „Wie weit ist das entfernt von unser aller Erfahrung!“ – Ach?
Doch auch privat begegnen einem solche Menschen, für die alle so sind wie sie selbst und die haarklein in ihrer Welt leben. Amüsant wird das, wenn es um Politik geht oder um aktuelle Themen.
Glücksfaktor: gerade und unbedingt, bitte, dass Menschen völlig verschieden sind!