Im November 1668 hatte Samuel Pepys eine Menge Stress mit seiner Ehefrau


Das Schlimmste daran: Es war wirklich seine eigene Schuld.

Pepys (dessen Nachname übrigens ‚Pieps‘ ausgesprochen wird) war Staatssekretär im britischen Marineamt, ein fleißiger, zuverlässiger und ehrgeiziger Mann. Er stammte aus relativ einfachen Verhältnissen – sein Vater war Schneider, seine Mutter Metzgerstochter – und schaffte es ins Unterhaus und zu einem erfreulichen Vermögen, für das er immerhin ziemlich häufig Gott dankte. (Ein Teil dieses Kapitals stammte aus Bestechungsgeldern, doch war das völlig üblich.)

Er war, wie wir seiner Stirnfalte entnehmen, ein strenger Mann (er verdrosch bei Bedarf sein Hausmädchen oder seinen Diener, wenn sie sich dämlich anstellten) als auch, wie wir seinem sinnlichen Mund entnehmen, ein kleiner Erotomane. Letzteres bereitete ihm ebensoviel viel Vergnügen wie Probleme.

Im Übrigen war er ein völlig normaler Bürger der Restaurationsepoche unter Charles II., weder berühmt noch irgendwie herausragend. Dass heute eine Straße in London nach ihm heißt und dass die Nachwelt ungewöhnlich viel über ihn, seine Zeit und seine Sünden, bis ins kleinste Detail, weiß, liegt daran, dass er sechs dicke Tagebücher verfasst hat, in denen er einige Jahre lang nahezu täglich seinen Alltag schilderte. Und dieser Alltag hatte es in sich. Samuel Pepys lebte zufällig in einer der interessantesten Zeiten Englands. Er beobachtete nach der kurzen republikanischen Epoche unter Oliver Cromwell aus nächster Nähe die Wiederkehr der Monarchie – er war sogar persönlich dabei, als der König  aus dem Exil zurück auf den Thron geholt wurde. Ein paar Jahre später wütete erst die Pest in London, die ungefähr 70000 Stadtbewohner tötete, und bald darauf der große Brand, der zehn Tage dauerte und vier Fünftel der City zerstörte.

Pepys beschreibt all das in seinen Tagebüchern, vermischt mit Anmerkungen über seine persönliche Karriere, seine Verdauungsstörungen, Anschaffungen für den Haushalt – sei es eine kleine Kommode oder eine hübsche Gesellschafterin für seine Frau. Er kannte einige der Mätressen des Königs sowie beliebte Schauspielerinnen (teilweise dieselben Personen, Charles II. war ein Liebhaber des Theaters). Er schaffte sich neue Anzüge und Perücken an, weil’s der gesellschaftliche Aufstieg erforderte. Er verbuddelte Dokumente und seinen  Lieblingskäse im Garten sowie sein Barvermögen im Garten seines Vaters, aus Angst, Plünderer könnten ihn während des Brandes ausrauben. Er beschreibt, was er Gutes zu Essen bekam und er trank hin und wieder (unter anderem, um eine beginnende Erkältung zu bekämpfen) ‚Butterbier‘ wie Harry Potter. 

Ein wenig Puritaner steckte ihm noch in den Knochen, denn er machte sich einige Gedanken über zuviel sinnliche Genüsse die er sich gönnte, wie häufige Theaterbesuche und Weinkonsum. Dass er sich sinnliche Genüsse allerdings vor allem durch das ständige Betatschen jeder greifbaren ‚hübschen‘ Weibsperson leistete, brachte seine Ehe schließlich ins Wackeln.

Als Samuel 22 war, hatte er die 15jährige Elizabeth – eigentlich ungewöhnlich für einen ehrgeizigen jungen Mann – nicht aus finanziellen Erwägungen, sondern aus Zuneigung geheiratet. Sie war, wie er gern betonte, eine Schönheit. Eigentlich war er auch sporadisch noch verliebt in sie und stolz auf ihr gutes Aussehen.

Trotzdem nennt er sie in seinen Tagebüchern oft ‚das arme Wurm‘, denn sie ahnte nichts von seinen vielen Seitensprüngen.   

Sicherlich war Pepys recht charmant, er besaß eine angenehme Stimme, sang auch und beherrschte einige Instrumente. Doch war’s bestimmt nicht immer nur sein Charisma, das ihn so unwiderstehlich machte und die meisten angegrabschten Damen dazu brachte, stillzuhalten. Es waren auch welche dabei, die sich für ihre Ehemänner berufliche Protektion erhofften oder solche, die nicht dagegenan zu mucksten wagten, weil der Grabscher einer überlegenen Gesellschaftsstufe angehörte. 

Interessanterweise verachtet der Spießer in Pepys anschließend die Mädels, die sich nicht gewehrt hatten und hielt sie für moralisch minderwertig, während er die bewunderte, die ihm Widerstand boten. (Was ihn andererseits reizte, so dass er es bei ihnen immer wieder versuchte.)

Er schrieb seine Tagebücher vorsichtshalber in einer Art Stenographie. Vielleicht auch, weil sie teilweise innenpolitische Geheimnisse oder Korruptionsgeschichten enthalten. Vor allem aber gewiss, damit Elizabeth, das arme Wurm, sie nicht lesen konnte. Um alles noch mehr zu verschleiern, drückte sich der gebildete Mann in den heiklen Szenen vielsprachig aus, in einem Gemisch aus Griechisch, Latein, Deutsch, Französisch, Italienisch und Spanisch:

hazer ella con su Hand para tocar mi Ding – heißt beispielsweise:

„schaffte es, dass sie mit ihrer Hand mein Ding anfasste“. 

Wäre ich Frau Pepys gewesen und hätte Stenographie lesen können, dann wäre ich jedesmal besonders misstrauisch geworden, wenn mein Gatte mit seinen Schilderungen ins Fremdsprachige verfiel.

Doch das arme Wurm brauchte keinen Blick in die Tagebücher zu werfen. Ein Blick ins Nebenzimmer genügte eines Tages. Dort fand sie ihren Samuel mit einer Hand in ihrer hübschen Gesellschafterin. Das gab wochenlangen häuslichen Unfrieden und haufenweise Szenen. Die Gesellschafterin wurde entlassen, Pepys von Elizabeth gezwungen, ihr einen Brief mit bösen Worten hinterherzuschreiben. (Machte er; allerdings kontaktete er das Mädchen heimlich, beruhigte sie über diese bösen Worte und tat Weiteres, das er in verschiedenen Sprachen schildern musste.)

Kurze Zeit nach diesem häuslichen Desaster beendete Samuel Pepys seine Tagebucheintragungen, vor allem, weil seine Augen immer schlechter wurden. 

Glücksfaktor: in nicht allzu interessanten Zeiten zu leben …


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