Ist Zucker wirklich gefährlich?


 

Ernährung, nicht wahr, wird immer bewusster. Wer zum Essen einläd, ist gut beraten, sich vorher genau zu erkundigen, was er weglassen muss. Darüber kann man die Augen verdrehen – oder es respektieren.

Ist das eine Mode? Teilweise sicherlich. Andererseits wussten unsere Vorfahren eben nicht viel über „gesundes Essen“. Oma empfahl Spinat und viel Vollmilch, um bei Kräften zu bleiben.

In vielen Fällen ist so was inzwischen vom ARZT vorgegeben und der hat bekanntlich immer recht. Also, kein Wort drüber, laktosefrei und glutenfrei gibt es schließlich im kleinsten Supermarkt. Fleisch kann man weglassen, Eier sind nicht nötig, alles ist mehr oder weniger zu ersetzen. Das entwickelte sich in den letzten Jahren zu einer gewissen Vollkommenheit. Eigentlich ist derjenige nicht ganz in Ordnung, der einfach alles frisst.

Was es allerdings eher nicht gibt, ist zuckerfrei. Wird ja auch nicht verlangt. Außer von mir.

Zuckerfrei geht praktisch überhaupt nicht. Wer sich die Zeit und die Brille nimmt, das Winziggedruckte in der Inhaltsangabe zu lesen, der bemerkt, dass Zucker ein grundsätzliches Grundnahrungsmittel ist. Überall drin. Heißt zwar oft verschämt Saccharose, Dextrose, Glukose oder so ähnlich. Ist aber alles dasselbe Gift. Na und? So ein bisschen Zucker wird keinen umbringen.

Ich erfahre nebenbei überrascht, dass auch selbstkochende Menschen ihn nicht verschmähen. Ein Teelöffelchen Zucker zum Würzen auch in Salzigem oder in Scharfem – immer her damit. Kann nicht schaden. Spargel beispielsweise schmeckt offenbar „bitter“ ohne. Um Himmels Willen! Bitter! Dass geht ja gar nicht. Süß muss es sein. Alle werden daran gewöhnt. Alle sind daran gewöhnt.

Die Süße in Obst allein genügt nicht. Erdbeeren müssen gezuckert werden. Himbeeren und Johannisbeeren müssen erst recht gezuckert werden.

Ich mag es auch süß, so ist das nicht. Ich backe und rühre meine Puddings seit fast zwanzig Jahren mit Ersatz-Süßungsmitteln. Über die haben die meisten Leute eine sehr negative Meinung. Erstens sind sie ungesund – irgendwie. Vermutlich krebserregend. Jedenfalls weiß man nicht so genau. Und wenn man es nicht so genau weiß, erleichtert das die Meinungsbildung. Es hat in diesem Zusammenhang keinen Zweck, darauf hinzuweisen, dass Krebszellen völlig verrückt sind auf ehrlichen, soliden alten Zucker.

Außerdem wird argumentiert, alle Ersatzzuckerstoffe machen dick. Sie bluffen nämlich den armen Körper, der, weil es süß schmeckt, Haushaltszucker erwartet (ist er schließlich darauf dressiert), und dann ver-stoffwechselt er sich völlig und wird erst recht dick.

Was stellt sich der normale, gluten- und laktosefreie Veganer unter Zuckerersatz vor? Oft, tatsächlich, bei aller sonstigen Kenntnis: Aspartam oder so was Schlimmes. (Das benutze ich allerdings auch nie.) Xylit macht Bauchweh, Stevia hat einen ganz schlechten Ruf – an dem natürlich die Zuckerindustrie völlig unschuldig ist – Agavendicksaft, Reissirup und Honig schließlich sind auch bloß aus Zucker. Nur bisschen anders sortiert in den Molekülen. Es gibt unendliche viele wissenschaftliche Betrachtungen im Internet, die sich über jede Art von Zuckerersatz entsetzen oder zumindest lustig machen. Quintessenz: Lass den Quatsch, taugt alles nichts. Nimm den guten alten Haushaltszucker.

Außerdem schmecken Ersatzsüßstoffe, wird behauptet, einfach nicht. Immer irgendwie fremd. Während echter Zucker eben keinen Beigeschmack besitzt. Aber nachdem ich ihn ewig nicht mehr esse, weiß ich, dass er einen deutlichen Eigengeschmack hat. Ich spüre Zucker sofort heraus.

Ich soll, empfiehlt man mir freundlich, das Zeug einfach reduzieren, wenn ich es nicht mag. Weniger Süßes, das kann man sich doch angewöhnen. Und einfach alles weglassen, wo Zucker drin ist. Auch Obst natürlich, hahaha, da ist schließlich Fruchtzucker drin.

Es hat, wie gesagt, keinen Zweck. Und doch wende ich mich immer noch hoffnungsvoll an Verkäufer in Naturkostgeschäften und frage nach zuckerfreier Schokolade. Nö, haben sie nicht. Es gibt riesige Naturkostsupermärkte, in denen jeder Keks, jeder Schokoriegel nur mit Rohrohrzucker gesüßt ist. Das mag ein Spürchen weniger schlimm sein als raffinierter weißer Zucker. Aber nicht viel.

Ich kann mich ziemlich gut auf meinen Körper verlassen. Seit ich Zucker meide wie gefährliches Gift, gestalten sich meine Zahnarzt-Besuche nur noch erfreulich. Falls ich aus Versehen irgendwo in der Fremde notgedrungen Zucker zu mir nehme, wird mir unangenehm. Ich spüre es sofort.

Manchmal stoße ich in letzter Zeit im Winziggedruckten auf den Hinweis: Kokosblütentzucker! Sonst nichts. Schokolade, nicht übertrieben teuer, mit Kokosblütenzucker gesüßt. Das wirklich Interessante ist – die Verkäufer haben meistens keine Ahnung davon. Wenn ich es ihnen unter die Nase halte, sind sie äußerst überrascht. Manchmal verschwindet das Produkt dann wieder: keiner wusste davon, keiner hat es verlangt.

Jahrelang hab ich mich nur im Internet bedient. Die Belgier stellen beispielsweise seit etwa fünfzehn Jahren sehr leckere Schokolade mit Stevia oder Xylit her.

Aber seit einer Weile gibt es bei Rewe und bei Edeka eine wirklich schmackhafte Schokolade in mindestens vier verschiedenen Sorten von Frankonia! Budni bietet welche mit Kokosblütenzucker an, bei DM bekommt man zartbittere Pralinen mit Kokosblütenzucker. Edeka hat eine hervorragende zuckerfreie (mit Maltit gesüßte) Schokolade von Lindt!

Was mich wundert, ist, dass nach wie vor in Gesundfutter-Supermärkten und Reformhäusern derart die Nase gerümpft wird über zuckerfreie Ware – es sei denn, es handelt sich um zerquetschte Datteln?

Glücksfaktor: Schokolade, durchaus. Aber ohne Zucker.

 

 

 


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