Jérôme und Betsy Bonaparte


Am 18. August 1807 knetet Napoleon das Königreich Westphalen zusammen, indem er sich passender Teile Deutschlands bedient.

Auf den Thron in Kassel packt er anschließend seinen kleinen Bruder Jérôme. Der wird von seinen Untertanen bald ‚König Lustig‘ getauft. Zum einen, weil „Morgen wieder lustik!“ angeblich der einzige deutsche Satz ist, den er beherrscht. Zum anderen, weil seine gewöhnliche Gemütslage überaus sorglos ist.

Dabei besitzt König Jérôme eigentlich durchaus Gründe, traurig zu sein. Sein großer Bruder hatte ihm ins Liebesleben gepfuscht.

Girolamo – so hieß er ursprünglich – ist das jüngste, zwölfte und letzte Kind der großen, adligen Familie Buonaparte auf Korsika. Letztes Kind auch deswegen, weil sein Papa stirbt, nachdem Jérôme kaum geboren ist. Praktischerweise können seine beiden ältesten Brüder, der sanfte Giuseppe und der energische Napoleone, beide bereits fast erwachsen, Vaterstelle bei dem kleinen Kerl vertreten.

Vor allem der zweitälteste, der ziemlich fix Kaiser von halb Europa wird und sowieso allen Leuten erzählt, was sie zu tun haben, bemüht sich darum, Jérôme eine vernünftige Erziehung zu geben. Schließlich hat er die Idee, sämtliche Geschwister auf einem Thron seines Reiches zu verschrauben. Auf die Familie kann man sich jedenfalls verlassen.

Na ja, andererseits besitzt der jüngste Bonaparte ausgeprägtere Charakterzüge als ausgerechnet Zuverlässigkeit. Er ist charmant, optimistisch und lebenslustig. Immerhin hängt er rührend an seinem riesengroßen Bruder, dem Kaiser.

Napoleon schickt Jérôme auf eine Inspektionsreise in die nordamerikanischen Kolonien. Reisen bildet. Jérôme lernt interessante Leute kennen. Beispielsweise William Patterson, einen enorm reichen Kaufmann aus Baltimore. Und der ist nicht nur reich an Money – er besitzt auch mehrere bildhübsche Töchter. Die bezaubernste von allen ist die älteste, Elizabeth, genannt Betsy. Sie ist aus absolut jeder Perspektive hinreißend – 

und auch ihr Temperament, ungezügelt und rücksichtslos, berührt den jüngsten Bonaparte verwandtschaftlich. Darüber hinaus plaudert Betsy geistreich, boshaft, originell. Der junge Mann macht ihr, sobald er Worte findet, einen Heiratsantrag. Die beiden werden am Heiligabend 1803 getraut, er eben 19 geworden, sie 18 Jahre alt. Sie kennen sich seit sieben Wochen.

Zu Jérômes Überraschung reagiert großer Bruder Napoleon auf diese Ehe höchst ungnädig. Das wäre ja noch schöner, wenn Mitglieder seiner Familie querfeldein heiraten könnten, wie es ihnen gerade in den Sinn kommt! Er hat für den Kleinen ganz andere Pläne: den Thron in Kassel und eine echte Prinzessin. Nicht so eine – du lieber Himmel – amerikanische Kaufmannstochter

Napoleon will, dass der Papst diese alberne Ehe anulliert. Der Papst ist sich bewusst, weder Familienmitglied noch Angestellter der Bonapartes zu sein und lehnt das ab. Na schön, dann lässt der Kaiser eben diese alberne Ehe durch seine französischen Gerichte für ungültig erklären. Der Ehemann ist minderjährig und hat nicht um Erlaubnis gefragt: Die Ehe hat nie stattgefunden. Basta.

Nun hat sie ja zumindest soweit stattgefunden, dass Betsy sehr umfangreich ist, als sie mit Jérôme nach Frankreich segelt, um ihren mächtigen Schwager kennenzulernen. Doch daraus wird nie etwas. Napoleon verbietet der schwangeren jungen Dame, französischen Boden zu betreten, Basta.

Jérôme seinerseits krabbelt betreten an Land. Er mag ja eigenwillig und übermütig sein, doch er ist so weit Italiener, als er dem männlichen Familienoberhaupt nicht wirklich trotzt. Betsy muss sehen, wo sie bleibt. Sie bleibt zunächst in London, bekommt hier im Sommer 1805 ihren Sohn, Jérôme junior, und realisiert im Lauf der Jahre, dass ihre Ehe tatsächlich vorbei ist. Spätestens, als ihr anullierter Gatte auf Befehl des Kaisers im August 1807 Katharina von Württemberg heiratet. Eine echte Prinzessin. Basta.

Die bekommt sieben Jahre später ihrerseits einen kleinen Jérôme. Ihr Mann, der König von Westphalen, betrügt sie ständig.Trotzdem hält Katharina treu zu ihm, auch, als die Napoleon-Ära vorbei ist und die zerfledderte Familie Bonaparte im Exil herumreist.

Betsy kehrt schließlich zurück nach Baltimore zu Papa und lebt in seinem Haus als alleinerziehende Mutter. Papa hatte sie übrigens damals vor dieser Ehe gewarnt, doch da hatte Betsy behauptet: „Lieber eine Stunde mit Jérôme Bonaparte verheiratet als ein Leben lang mit einem anderen  Mann!“

Das Schicksal nimmt sie gewissermaßen beim Wort. Ein wenig länger als eine Stunde dauert die Verbindung schon; kurz ist sie auf jeden Fall. Und mit einem ‚anderen Mann‘ kommt Betsy auch nie wieder ins Geschäft oder unter die Haube. Sie bleibt Single, ihre früher amüsante Schlagfertigkeit wird gallig. Immerhin erreicht sie das damals ungewöhnlich hohe Alter von 94 Jahren und überlebt damit alle ihrer Feinde – und sogar ihren Sohn.

Glücksfaktor: Der amerikanische Zweig der Dynastie Bonaparte besteht heute noch …

 

 

 

 

 

 

 

 


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